Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
Kühe des andern Morgens ausgetrieben wurden, rief das Bürle den Hirt herein und sprach „seht, da hab ich ein Kälbchen, aber es ist noch klein und muss noch getragen werden.“ Der Hirt sagte „schon gut,“ nahms in seinen Arm, trugs hinaus auf die Weide und stellte es ins Gras. Das Kälbchen blieb da immer stehen wie eins das frisst, und der Hirt sprach „das wird bald selber laufen, guck einer, was es schon frisst!“ Abends, als er die Herde wieder heim treiben wollte, sprach er zu dem Kalb „kannst du da stehen und dich satt fressen, so kannst du auch auf deinen vier Beinen gehen, ich mag dich nicht wieder auf dem Arm heim schleppen.“
Das Bürle stand aber vor der Haustüre und wartete auf sein Kälbchen: als nun der Kuhhirt durchs Dorf trieb, und das Kälbchen fehlte, fragte er danach. Der Hirt antwortete „das steht noch immer draußen und frisst: es wollte nicht aufhören und nicht mitgehen.“ Bürle aber sprach „ei was, ich muss mein Vieh wieder haben.“ Da gingen sie zusammen nach der Wiese zurück, aber einer hatte das Kalb gestohlen, und es war fort. Sprach der Hirt „es wird sich wohl verlaufen haben.“ Das Bürle aber sagte „mir nicht so!“ und führte den Hirten vor den Schultheiß, der verdammte ihn für seine Nachlässigkeit, dass er dem Bürle für das entkommene Kalb musste eine Kuh geben.
Nun hatte das Bürle und seine Frau die lang gewünschte Kuh; sie freuten sich von Herzen, hatten aber kein Futter, und konnten ihr nichts zu fressen geben, also musste sie bald geschlachtet werden. Das Fleisch salzten sie ein, und das Bürle ging in die Stadt und wollte das Fell dort verkaufen, um für den Erlös ein neues Kälbchen zu bestellen. Unterwegs kam er an eine Mühle, da saß ein Rabe mit gebrochenen Flügeln, den nahm er aus Erbarmen auf und wickelte ihn in das Fell. Weil aber das Wetter so schlecht ward, und Wind und Regen stürmte, konnte er nicht weiter, kehrte in die Mühle ein und bat um Herberge. Die Müllerin war allein zu Haus und sprach zu dem Bürle „da leg dich auf die Streu“, und gab ihm ein Käsebrot. Das Bürle aß und legte sich nieder, sein Fell neben sich, und die Frau dachte „der ist müde und schläft.“ Indem kam der Pfaff, die Frau Müllerin empfing ihn wohl und sprach „mein Mann ist aus, da wollen wir uns traktieren.“ Bürle horchte auf und wies von Traktieren hörte, ärgerte es sich, dass es mit Käsebrot hatte vorlieb nehmen müssen. Da trug die Frau herbei, und trug viererlei auf, Braten, Salat, Kuchen und Wein.
Wie sie sich nun setzten und essen wollten, klopfte es draußen. Sprach die Frau „ach Gott, das ist mein Mann!“ Geschwind versteckte sie den Braten in die Ofenkachel, den Wein unters Kopfkissen, den Salat aufs Bett, den Kuchen unters Bett, und den Pfaff in den Schrank auf dem Hausehrn. Danach machte sie dem Mann auf und sprach „gottlob, dass du wieder hier bist! Das ist ein Wetter, als wenn die Welt untergehen sollte!“ Der Müller sahs Bürle auf dem Streu liegen und fragte „was will der Kerl da?“ „Ach“, sagte die Frau, „der arme Schelm kam in dem Sturm und Regen, und bat um ein Obdach, da hab ich ihm ein Käsebrot gegeben, und ihm die Streu angewiesen.“ Sprach der Mann „ich habe nichts dagegen, aber schaff mir bald etwas zu essen.“ Die Frau sagte „ich habe aber nichts als Käsebrot.“ „Ich bin mit allem zufrieden“, antwortete der Mann, „meinetwegen mit Käsebrot“, sah das Bürle an und rief „komm und iss noch einmal mit.“ Bürle ließ sich das nicht zweimal sagen, stand auf und aß mit. Danach sah der Müller das Fell auf der Erde liegen, in dem der Rabe steckte, und fragte „was hast du da?“ Antwortete das Bürle „da hab ich einen Wahrsager drin.“ „Kann der mir auch wahrsagen?“, sprach der Müller. „Warum nicht?“, antwortete das Bürle, „er sagt aber nur vier Dinge, und das fünfte behält er bei sich.“ Der Müller war neugierig, und sprach „lass ihn einmal wahrsagen.“ Da drückte Bürle dem Raben auf den Kopf, dass er quackte und „krr krr“ machte. Sprach der Müller „was hat er gesagt?“ Bürle antwortete „erstens hat er gesagt, es steckte Wein unterm Kopfkissen.“ „Das wäre des Guckgucks!“, rief der Müller, ging hin und fand den Wein. „Nun weiter“, sprach der Müller. Das Bürle ließ den Raben wieder quacksen und sprach „zweitens, hat er gesagt, wäre Braten in der Ofenkachel.“ „Das wäre des Guckgucks!“, rief der Müller, ging hin und
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