Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
Tisch im schönsten Saale, den man mit Augen sehen kann. Er setzte sich hinzu und ließ es sich wohlschmecken, und je mehr er aß und trank, um so mehr neue und köstlichere Speisen wurden von unsichtbaren Händen herbeigetragen. Gegen Abend legte er sich zu Bette, aber er konnte nicht schlafen, denn er war allzuneugierig, was wohl in der Nacht vorgehen werde.
Gegen zwölf Uhr fuhr die Thür auf und eine große Gesellschaft von prächtig gekleideten Herren und Frauen kam herein. Viele Diener mit Kerzen gingen ihnen zur Seite und hinterher kam eine zahlreiche Bande von Musikanten, welche lustige Tänze spielten. Hei, war das ein Leben! Ferdinand sah ihnen verwundert zu, wie sie tanzten und sprangen, aber er hütete sich wohl mit ihnen herum zu springen. Da kamen sie alle nach der Reihe an sein Bett und luden ihn ein, mit zu tanzen und sich mit ihnen zu freuen, aber er tat, als höre und sehe er nichts und blieb unbeweglich da liegen, wie ein Stock. Das dauerte so fort, bis die Glocke Eins schlug, da verschwand der ganze Spuk. Zugleich ringelte sich die große Schlange herein und sprach: „Ferdinand, mein Erlöser, eine Nacht hast du ausgehalten und zwei stehen dir noch bevor; fürchte dich aber nicht, es geschieht dir nichts und Niemand kann dir am Leben schaden.“
In der zweiten Nacht hatte es wiederum kaum Zwölf geschlagen, als dieselbe Gesellschaft mit Dienern und Musikanten in das Zimmer trat und ihre Tänze begann. Sie kamen an sein Bett und riefen, er solle heraus kommen und mit ihnen tanzen, doch er blieb liegen und hörte nicht auf sie. Da drohten sie ihm und als er auch da noch liegen blieb, zerrten sie ihn heraus, schlugen ihn und traten ihn mit Füßen, doch er ließ es sich ruhig gefallen und das wurde ihm nicht schwer, denn er fühlte nichts davon. Also ging es fort, bis es Eins schlug, da verschwand die ganze Sippschaft. Die Schlange kam wieder herein und sprach: „Ferdinand, mein Erlöser, zwei Nächte hast du glücklich ausgehalten und eine steht dir noch bevor; das ist die härteste von allen. Fürchte dich aber nicht, es geschieht dir nichts und Niemand kann dir am Leben schaden.“
Der Prinz erwartete Mutig in der dritten Nacht die zwölfte Stunde. Als es schlug erschien auch das gespenstische Volk wieder und begann seine alten Streiche. Zuerst tanzte es allein, dann wollte es ihn verlocken mit zu tanzen. Als er standhaft blieb und sich nicht rührte, da rissen sie ihn aus dem Bette heraus und schlugen ihn und als auch das nicht helfen wollte, da schnitten sie ihn in Stücke und tanzten darauf im Zimmer herum, bis es Eins schlug. Da verstoben sie wie ein Rauch. Zugleich öffnete sich aber die Thür und herein kam – nicht die Schlange, sondern die allerschönste Königstochter. Die ging im Zimmer umher, las die Stücke zusammen und fügte sie aneinander. Als das letzte Stückchen dabei war, da sprang der Prinz auf und war so frisch und gesund wie vorher und schaute die Königstochter mit erstaunten Augen an. Da sprach sie: „Ferdinand, mein Erlöser, jetzt hast du dein Werk vollbracht und ich bin dein auf ewig; wir bleiben nun beisammen und du hast Alles, was dein Herz begehrt.“ Da umarmte sie der Prinz und küsste sie und Beide waren froh und glückseelig. Sie führte ihn in dem ganzen Schloss umher und da wimmelte es von Bedienten und Hofherren, überall war ein neues Leben eingekehrt. Nachdem sie ihm das Schloss gezeigt hatte, führte sie ihn auch in den wunderherrlichen Garten, wo jetzt Alles noch viel schöner als vorher stand; nur an einem kleinen Gartenhäuschen ging sie vorüber und Schloss es nicht auf. Da frug der Prinz, was in dem Häuschen sei, aber sie sprach: „Da frage nicht und schließe es auch nie auf, wenn du mich lieb hast, denn wenn du dies tust, ist es dein Unglück.“ Da drang er nicht weiter in sie und versprach ihr, er wolle nie hinein schauen.
Eine Zeitlang lebte der Prinz mit der schönen Königstochter in Glück und Freude; nach und nach aber musste er stets, wenn er in dem Garten war, auf das Gartenhäuschen schauen und er wurde mit jedem Tage neugieriger zu wissen, was wohl darin sein möge. Er sagte der Königstochter nichts davon, denn er schämte sich, ihr wieder davon anzufangen, nachdem er ihr doch das Versprechen gegeben hatte, nicht hineinschauen zu wollen. Wenn er allein im Garten war, ging er um das Häuschen herum, ob er eine Ritze fände, durch die er hineingucken könnte, aber die Fenster und die Türe waren ganz dicht. Zuletzt aber konnte er
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