Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
gegessen hatte, hieß sie ihn wieder hinabkriechen und liegen bleiben bis zur anderen Nacht. Den Abend musste sie wieder weggehen zur Musik und als sie um eilf Uhr heimkam, kroch er hervor und tat wie das erste Mal. Weil er wusste, dass ihm Nichts geschehen konnte wenn er fest blieb war seine Angst schon geringer geworden; doch war sein Mut größer, so war auch die zweite Probe härter denn die erste. Die Geister stürzten mit grausigem Getöse herein und begannen also mit ihm umzuspringen, dass das was sie zuvor getan, nur ein Kinderspiel dagegen war. Als sie ihn am ganzen Leibe zerhauen und zerstochen, dass keine heile Stelle mehr an ihm war und Alles nichts an ihm fruchten wollte, schleppten sie einen großen Kessel voll siedenden Öles herein, stellten ihn vor das Bett und schickten sich an, ihn hineinzuwerfen. Sie hatten ihn an Händen und Füßen aufgehoben und hielten ihn darüber; er dachte nun sei es wirklich um ihn geschehen und wollte eben aufschreien, da schlug es Mitternacht und sie mussten fort, die Schwanenjungfer aber hatte ihn gar bald wieder mit ihrer Salbe geheilt. Darauf erquickte sie ihn wieder mit Speis und Trank und dankte ihm gar freundlich, dass er auch das zweite Mal sich so gut gehalten und somit ihre Erlösung ihrem Ende nahe gebracht hatte.
„Noch einmal bleibe fest,“ sprach sie, „so bin ich dein und wir wollen immer in Freuden leben, jetzt aber musst du wieder unter's Bett und still liegen bis zur anderen Nacht.“
Die letzte Nacht kam und Alles trug sich zu wie vorher, nur dass es die finsteren Geister diesmal am allerschlimmsten trieben. Sie zerhieben und zerschnitten ihn, als wenn er es gar nicht gespürt hätte, und da immer noch keine Qual ihn zum Schreien brachte, trugen sie einen großen Galgen herein und machten Anstalt, ihn daran aufzuknüpfen. Schon hatten sie ihm die Schlinge um das Genick gelegt – da tat es einen ungeheuren Schlag und die Erlösung war glücklich vollbracht.
Eh' er wusste wie ihm geschehen, stand der Jägerbursch im Freien und im Hellen, und die Schwanenprinzessin war bei ihm und war erlöst. Sie bestrich ihn zum letzten Male mit der Salbe, also dass er gesunder und schöner ward denn zuvor, dann heiratete er sie und zog mit ihr gen Frankreich an des Königs Hof. Als der sie nun erblickte in ihrer großen Herrlichkeit, da musste er selber gestehen, dass sie schöner sei als seine Tochter.
Die Zwerchpfeife
Es war einmal ein König, der seine Freude an schönen Soldaten hatte. Unter seinen Truppen war aber ein besonders großer und schöner Mann, den er so hoch hielt, dass er ihn nie auch nur einen Tag in Urlaub lassen wollte; dagegen gab er ihm Geld und Essen, so viel er verlangte. Das gefiel dem Soldaten nicht übel, aber er zechte und verschwendete so über alle Maßen, dass die Schatzkammer des Königs in Zeit von einem halben Jahr kaum noch sechs Batzen übrig behielt. Da sah der König ein, dass dieß nicht länger so gehn könnte und dass er dabei zum armen Mann würde. Er gab dem Soldaten seinen Abschied und dazu einiges Reisegeld, was die alte Königin ihm borgen musste, und einen Paß. Aber da der Soldat nicht sehr ans Sparen dachte, so war das Geld weg ehe er sich's versah, und er fand, als er seinen Sack umkehrte, nur noch ein kahles Sechskreuzerstück darin. Indem er nun so dahin schlenderte auf der Landstraße, kamen zwei Reisende desselben Wegs und die hatten auch zufällig kein Geld mehr. Da sprach der Eine: „Da vor uns geht ein Soldat, vielleicht hat der noch etwas übrig. Wir wollen einmal sehen, ob er uns etwas gibt.“ Sagt's und ging zu dem Soldaten und sprach, sie wären arme Reisende, ob er ihnen nicht etwas schenken wollte. „Hätt ich selber was!“ antwortete ihm der Soldat, „da ist mein letztes Sechskreuzerstück; aber komm, wir wollen's Teilen.“ Das taten sie in der nächsten Ortschaft, blieben des Tags zusammen und schliefen auch zusammen in einer Herberge. Als der Soldat am andern Morgen von seinen beiden Reisekameraden Abschied nehmen wollte, sprach der Eine: „Weil du ein so gutes Herz hast, so wähle dir drei Dinge und du hast sie.“ Das gefiel dem Soldaten wohl und er rief lustig: „Dann wähle ich mir vor Allem eine große Bärenmütze, wie die Grenadiere sie tragen, und ein Gewehr. Zweitens einen Tornister mit Bandelier und schönen Hosen. Drittens ein Paar schöne Stiefel mit Sporen.“ „Das sollst du haben,“ sprach der Andre, aber dessen Gesell ärgerte sich, dass der Soldat nichts Besseres
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