Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
jedes sein Amt bei ihm. Als er fertig gegessen hatte, bat der Prinz die Englein: „Könnt ihr mir nicht sagen, wo der Jäger Grünus Kravalle wohnt.“ „Das ist der Gottseibeiuns,“ riefen die Engel allzumal. „Tausend Stunden von hier im Walde wohnt ein Einsiedler, der weiß es, wenn du ihn fragen willst.“
Der Weg war zwar weit, aber Prinz Jack hatte nun mehr Mut gewonnen und ging kräftig zu, bis er an des Einsiedels Häuschen kam. Er öffnete die Thür, da grüßte ihn der Einsiedel der auch ein uralter Mann war: „Guten Tag, Prinz Jack von Eiland.“ „Ei woher kennt ihr mich denn?“ fragte der Prinz. „Ich kenne alle Menschen in der Welt“ antwortete der Einsiedel. „Dann kennt ihr auch den Jäger Grünus Kravalle,“ sprach der Prinz, „und könnt mir sagen, wo er wohnt.“ „Das kann ich dir sagen lieber Sohn“ antwortete der Einsiedel. „Gehe den Weg hinter meiner Klause gerade fort, nicht rechts und nicht links, dann wirst du an ein großes rundes Schloss mit hohen Mauern kommen, welches kein Tor und keine Thür hat. Warte da bis um zwölf Uhr Mittags, dann öffnet sich die Mauer und zwei weißgekleidete Damen treten heraus, dann musst du schnell hinein schlüpfen und sogleich nach dem Grünus Kravalle fragen. Du darfst dich beileibe nicht aufhalten und musst wohl sorgen, vor drei Uhr wieder heraus zu sein, sonst geht es dir schlimm.“
Der Prinz versprach voller Freuden Alles, dankte dem Einsiedel für seinen Rath und eilte weiter, bis er an das große Schloss kam. Das war zirkelrund und hatte himmelhohe Mauern von mächtigen Steinen. Er ging herum, aber da war kein Eingang zu sehen. Gegen zwölf Uhr endlich öffnete sich die Mauer und zwei schöne weiße Jungfrauen traten heraus und gingen in den Wald. Sobald sie weg waren, schlüpfte der Prinz durch dieselbe Oeffnung in das Schloss. Da ging er von Zimmer zu Zimmer und eins war immer schöner als das andere und dabei hielt er sich gar lange auf. Endlich frug er nach dem Grünus Kravalle. Da kam dieser sogleich in seinem grünen Jägerrock heran und sprach: „Das war dein Glück, heute ist der letzte Tag, den du noch frei hattest und morgen hätte ich dich geholt.“ „Jetzt gib mir meine Handschrift, damit ich fort kann,“ sprach der Prinz, doch Grünus Kravalle sagte: „Das hat ja noch Zeit, ich will dir vorerst meinen Garten im Schloss zeigen und noch vieles andre, was du dein Lebetage nicht wieder siehst.“ Da ließ der Prinz sich verleiten und der Jäger führte ihn rechts und links herum und schwatzte ihm allerhand vor, bis es plötzlich drei Uhr schlug. „Gib mir schnell meine Handschrift!“ rief der Prinz und Grünus Kravalle gab sie ihm lachend und sprach: „Da ist sie aber übereile dich nicht, denn jetzt bist du doch mein.“ Da packte er ihn und schleppte ihn fort in den Eiskeller, wo der arme Prinz täglich nur ein Stückchen Brotkruste bekam und die war noch dazu ganz trocken.
Da hatte Jack von Eiland wohl Ursache zu weinen, denn es ist nichts ärger, als wenn man nach langem Schaffen und vieler Not meint, etwas errungen zu haben und dennoch mit leeren Händen dasteht. Doch hatte der Prinz bei all seinem Unglück noch Glück, ohne dass er es Anfangs ahnte. Als der Jäger ihn nämlich fortschleifte zu dem Eiskeller, da kamen gerade die beiden schönen, weißen Jungfrauen daher das waren dem Grünus Kravalle seine Töchter. Die Jüngste, welche die schönste war, hatte Mitleid mit dem armen Prinzen, weil er so sehr schön war und dabei so sehr unglücklich, denn sie wusste von ihrem Vater, dass er also verlockt und gefangen werden sollte. Sie schlich sich eines Tages an das Fensterloch zu dem Eiskeller, da sah sie, wie der Prinz sein Brot in ein wenig Eiswasser erweichte und es so mit rechtem Heishunger verschlang. Das tat ihr tief im Herzen weh und sie ging noch in derselben Nacht zur Küche, holte sich eine ganze Schürze voll guter Sachen, die vom Mittagessen übrig waren und trug sie dem Prinzen in seinen Eiskeller. Ach wie war er ihr dafür so dankbar! Er küsste ihre beiden Hände und war ganz außer sich vor Freude. Das rührte sie so sehr, dass sie ihm von da an jede Nacht Speise zutrug und die harten Brotkrusten mit sich nahm. Jedesmal blieb sie ein wenig länger bei ihm und ließ sich von ihm erzählen und jedesmal gefiel er ihr besser und sie ihm. Da sprach sie einmal: „Höre, ich habe dich so lieb, dass ich ohne dich nicht mehr leben kann; wenn du mein Gemahl werden willst, dann entfliehe ich mit dir,
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