Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
allerstärksten Weinen auftischen, denn heut sagte er wäre sein Geburtstag. Als nun die Gäste recht lustig waren, sprach er: „Jetzt soll mir jeder zum Angebinde das pfiffigste Stücklein erzählen, welches er in seinem Leben ausgeführt hat.“ „Ja das gilt,“ rief der falsche Kaufmann „und ich fange an, denn ich wette hundert gegen eins, dass ich das pfiffigste Stück von euch Allen ausgeführt habe.“ „Das glaube ich nicht,“ sprach der Regimentsarzt, „und ich wette mein Vermögen gegen das deine, dass ich ein noch viel pfiffigeres im Sack habe.“ „Ich halte dich beim Wort,“ schrie der falsche Mensch und schlug ein, und er glaubte schon, des reichen Doktors Taler in seine Geldkisten versammeln zu können. Jetzt fing er an zu erzählen, wie er vor Jahren den Kaufmann so listig betrogen und seine Wette mit ihm gewonnen habe. Ei wie da der Bediente die Ohren spitzte, und wie gern wäre er dem falschen Kerl an den Kopf geflogen, aber ehe er das konnte befahl sein Herr ihm, die verschlossene Kiste schnell ins Schlafzimmer zu tragen und im Nebenkämmerchen zu warten, bis er ihn riefe.
„Das war ein sehr pfiffiger Streich,“ sprach alsdann der Regimentsarzt, „aber meiner ist noch pfiffiger. Ich muss aber, ehe ich ihn erzähle, etwas in meinem Schlafzimmer holen.“ Dann ging er weg, warf Montur und falschen Bart ab und zog wieder die Frauenkleider an und da war sie wieder grade so schön, wie sie vordem gewesen. Als sie damit fertig war, rief sie dem Bedienten. Wie der erstaunte, seine Frau plötzlich vor sich zu sehn, wie er sich zu ihren Füßen, wie sie sich an seine Brust warf, und was das für Freude war, das brauche ich nicht zu sagen. Ebenso kann man sich auch wohl denken, was der falsche Kaufmann für ein Gesicht schnitt, als er sich ertappt sah und bekennen musste, dass der Streich doch noch pfiffiger sei, wie der seine. Seit dem durfte er sich nicht mehr in London sehen lassen, vor der Frau aber zog Jedermann den Hut ab, und sie lebte noch lange und glücklich mit ihrem Manne und es waren die reichsten Leute in ganz England.
Das Schloss des Todes
Ein armer Mann hatte viel Kinder und demnach auch viel Gevattersleute. Da schenkte ihm seine Frau in seinen alten Tagen noch ein Knäbchen. Er sprach: „wüsste ich jetzt nur, wen ich zu Gevatter bitten soll!“ Die Frau sprach: „Den Ersten Besten, der dir vor der Thür auf der Landstraße begegnet.“ Da ging der Mann hinaus, es war noch ganz früh, so dass die Sonne mit ihm herauskam, und schritt auf der Landstraße auf und ab. Kam da ein kleines greisgraues Männchen, das war gar freundlichen Aussehens und fragte den Mann: „Ei warum schon so früh auf den Beinen?“ „Ich suche einen Gevatter zu meinem Kinde, wollt ihr mir vielleicht den Gefallen tun?“ fragte der Mann und das Männchen sagte: „Von Herzen gern, sagt mir nur, wann die Taufe ist.“ „Gleich morgen früh, wenn es euch geliebt.“ „Es ist gut, ich habe dann gerade Geschäfte im nächsten Ort und werde zur rechten Zeit bei euch sein.“ „Wie heißt ihr denn, Herr Gevatter?“ „Ich bin der Tod,“ antwortete das Männchen lächelnd, grüßte den armen Mann sehr freundlich und ging weiter. Am folgenden Morgen fand es sich zur rechten Stunde ein und hob das Kind aus der Taufe; dann sprach es: „Wenn das Kind vierzehn Jahr alt ist komme ich wieder und dann braucht ihr nicht weiter für dasselbe zu sorgen, im GegenTeil es wird für euch sorgen.“ Da freuten sich die Leute, dankten dem guten Tod und er nahm freundlichen Abschied von ihnen.
Als der Knabe vierzehn Jahre alt war, kam der gute Pate nahm ihn mit sich in den Wald und sprach: „Jetzt will ich dich zum geschicktesten Arzt in der Welt machen, mein liebes Patenkind, höre nur fleißig zu, was ich dir sage. Wenn du zu einem Kranken kommst und ich stehe zu Häupten des Bettes, dann sage dreist: Hier ist keine Rettung. Stehe ich aber am Fußende, dann mache einen Trank aus süßer Milch und drei Körnlein Salz und in Zeit von drei Tagen ist der Kranke gesund.“ Der Jüngling dankte dem guten Paten und übte seine neue Kunst sehr eifrig, wurde hochberühmt dadurch und reich dazu. Als des Königs Tochter krank war heilte er sie und bekam Gold, mehr als ein Pferd ziehen kann, und als er der Königin Tod vorhersagte und sie auch wirklich starb, da gab ihm der König doppelt so viel und heiratete acht Tage darauf eine andre.
Als er schon ein blühender Mann war und in seinen besten Jahren stand, kam er eines
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