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Das grosse Muminbuch

Das grosse Muminbuch

Titel: Das grosse Muminbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Jansson
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stattdessen auf dem Einsam­keitsgesims des Leuchtturmwärters und überlegte. Manchmal schrieb er etwas ins Wachstuchheft, über den Kolk oder über das Meer.
    Er mochte schreiben, die Meeresströmungen sind eine wundersame und wunderbare Sache, der man bislang nicht genügend Aufmerk­samkeit gewidmet hat. Die Bewegung der Welle ist etwas, das stets unser Staunen erwecken wird ... und dann ließ er das Heft sinken und verlor sich in Beobachtungen.

    Der Nebel hatte sich über die Insel geschlichen. Er kam aus dem Meer gekrochen, ohne dass jemand merkte, wann. Plötzlich war alles in blasses Grau eingehüllt, und das Gesims des Leuchtturmwärters segelte einsam und verlassen in einem leeren Raum aus weicher Wolle.
    Der Vater versteckte sich gern im Nebel. Er schlief ein bisschen - dann kreischte eine Fischmöwe, und der Vater fuhr heftig aus dem Schlaf, kletterte nach oben und schwankte um die Insel herum, wäh­rend er hilflos über Strömungen und Wind grübelte, über das Ent­stehen der Stürme und des Regens und über die Tiefen des Meeres, die niemand erreichen konnte.
    Die Mutter sah ihn eintauchen in den Nebel und wieder auftauchen, die Schnauze nachdenklich gegen den Bauch gesenkt. Sie dachte, er sammelt Material. Das hatte er gesagt Vielleicht ist das ganze Heft voll von Material. Das wird aber schön, wenn er fertiggesammelt hat.
    Auf eine Untertasse zählte sie fünf gestreifte Bonbons und stellte sie auf das Gesims des Vaters als eine Ermunterung bei der Arbeit.
    Mumintroll lag in den Rauschbeerenzweigen mit der Schnauze über dem Trinkwassertopf der Mutter. Er tauchte das Hufeisen in das braune klare Wasser und sah, wie das Silber zu Gold wurde. Die Zweige und die Grasrispen spiegelten sich in dem Topf, eine kleine Landschaft, die auf dem Kopf stand. Die Zweige zeichneten sich fein und deutlich gegen den Nebel ab, und man konnte das kleinste Tierchen erkennen, das sich auf seinem Grashalm auf der Wanderung befand.
    Das Bedürfnis, über das Seepferdchen zu sprechen, war immer stär­ker geworden. Nur beschreiben, wie es aussah. Oder wenigstens über Seepferde im allgemeinen reden.
    Jetzt waren auf dem Halm zwei Krabbeltierchen. Mumintroll rührte im Topf um, die Miniaturlandschaft war verschwunden.
    Er stand auf und schlenderte zum Gestrüppwäldchen hin. Gleich am Rande war im Moos ein schmaler Pfad ausgetreten, hier wohnte vermutlich die Kleine My. Es raschelte, sie war zuhause.

    Mumintroll machte einen Schritt, die gefährliche Lust, sich jeman­dem anzuvertrauen, saß ihm gleich einem Kloß im Halse. Er bückte sich und kroch unter die Tannen. Dort saß sie, klein und zusammen­gerollt wie ein Knäuel.
    Wie ich sehe, bist du zu Hause, sagte Mumintroll ein wenig einfältig.
    Er setzte sich ins Moos und starrte sie an.
    Was hast du in der Pfote, fragte My.
    Nichts, antwortete Mumintroll und zerstörte seine Eröffnungsfrage. Ich bin zufällig vorbeigegangen.
    Hah, sagte die Kleine My.
    Er schaute hin und her, um ihren klaren, kritischen Blicken zu ent­gehen. Dort an einem Ast hatte sie ihren Regenrock aufgehängt. Eine Tasse mit Zwetschgen und Rosinen, eine Flasche Saft ...
    Mumintroll sprang auf und beugte sich nach vorn. Weiter innen, unter den Zwergtannen war der Boden mit blanken braunen Nadeln geebnet, und so weit man in dem grauen Nebel sehen konnte, standen dort Reihen von ganz kleinen Kreuzen. Sie waren aus abgebrochenen Stöckchen gemacht, die mit Segelschnur zusammengebunden waren.
    Was hast du gemacht? rief Mumintroll.
    Meinst du, ich hätte meine Feinde begraben? Was? sagte die Kleine My. Sie amüsierte sich königlich. Das sind Vogelgräber. Irgendjemand hat hier drinnen haufenweise Vögel begraben.
    Woher weißt du das? fragte Mumintroll.
    Ich habe nachgeguckt, antwortete My. Kleine weiße Skelette, ge­nau wie die, die wir am ersten Tag unten im Leuchtturm fanden. «Die Rache der Vergessenen Gebeine», nicht wahr?!
    Das war der Leuchtturmwärter, sagte Mumintroll nach einer langen Pause. Die Kleine My nickte, so dass der Haarschopf wippte.
    Sie sind gegen das Feuer geflogen, fuhr Mumintroll langsam fort. Vögel tun das. Und dann haben sie sich zu Tode geschlagen. Der Leuchtturmwärter hat sie vielleicht jeden Morgen aufgesammelt. Ein Leuchtturmwärter, der immer trauriger wurde, eines schönen Tages löschte er das Feuer und ging davon ...
    Aber das ist ja entsetzlich, rief Mumintroll.
    Das ist lange her, sagte die Kleine My und gähnte. Und jetzt brennt es ja nicht.

    Mumintroll

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