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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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Jeder versuchte, in den Augen des anderen zu lesen, wie stark sein Respekt für Louis XIV. bereits gesunken war.
    »Sie sprachen von Abschied, Monsieur Law?« Der Herzog sah John an. »Ist mir irgendetwas entgangen?« Er stürzte seinen Champagner hinunter.
    »Meine Frau und ich werden Frankreich verlassen«, entgegnete Law und wandte sich wieder dem Spieltisch zu: »Mesdames, Messieurs, les jeux sont faits.« Elegant legte er den Mittelfinger auf den Stapel, schob die oberste Karte leicht nach vorne, während er mit dem emporschnellenden Zeigefinger die Karte umdrehte: »Die Fünf gewinnt, die Zehn verliert.«
    »Verlassen? Wieso erfahre ich davon erst jetzt?«, entsetzte sich der Herzog. »Man hat Sie doch nicht etwa brüskiert, Monsieur?« Er sprach mit schwerer Zunge.
    »Ganz im Gegenteil, Monsieur le Duc«, entgegnete John Law, »aber seit dem Tod der englischen Königin hat sich in England einiges gerändert. König George zeigt großes Interesse an meinen Bankprojekten. Er lässt mir ausrichten, dass ich sie in England realisieren kann.«
    Die Umstehenden reagierten erstaunt, einige schockiert. Während John Law mit eleganten Bewegungen die verlorenen Einsätze einsammelte und die Gewinne auszahlte, begann der Duc d'Orleans angestrengt nachzudenken: »Könnte man Sie denn nicht umstimmen, Monsieur?«
    »Ich schätze die Aufmerksamkeit, die der Hof in Versailles meinem Bankprojekt entgegenbringt, außerordentlich«, log John Law, »und ich akzeptiere, dass der Hof im Augenblick für meinen Vorschlag keine Verwendung hat. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, dass ich mich dorthin begebe, wo mein Vorschlag auf eine positive Resonanz stößt. Nach England. England hat einen großen Kapitalbedarf zur Deckung der Kosten für ein neues, produktiveres Zeitalter der Manufakturen. Dafür wird ein neues Kredit- und Bankensystem gebraucht, das die Geldmenge erhöht. Und ich versichere Ihnen, dass bereits nach einem Jahr jeder Engländer in Lohn und Brot stehen wird.«
    Der Herzog versuchte Haltung zu bewahren. Doch er schien jetzt ernstlich betrübt: »England wird eine neue Flotte bauen, den überseeischen Handel forcieren und uns auf allen Kontinenten bekriegen ... Muss es denn ausgerechnet England sein? Wieso England, Monsieur?«
    »Weil Frankreich keinen Bedarf hat, Monsieur le Duc. Ich produziere Ideen. Ich muss mich dorthin begeben, wo meine Ideen gekauft werden. Handelt nicht jeder Weinhändler und Zimmermann in gleicher Weise?«
    »Natürlich«, pflichtete der Herzog ungehalten bei. »Aber hören Sie, Monsieur, wollen Sie eine Audienz beim König? Ist es das, was Sie wollen?«
    »Es wäre eine große Ehre, vom König von Frankreich empfangen zu werden ...«
    »Ich nehme Sie mit zum Petit Lever Ihrer Majestät!«
    Die Anwesenden reagierten mit großem Erstaunen. Wohlwollend nickten sie John Law zu, als wollten sie ihm Respekt bezeugen. Es war eine außerordentlich Ehre, zum Lever des Königs geladen zu werden.
    »Wir fahren morgen um fünf Uhr in der Früh los, Monsieur.« Der Herzog holte tief Luft, seufzte. »Nun, sagen wir, um sechs.«
     
    John Law kontrollierte zum wiederholten Mal seine Garderobe. In Gedanken ging er die wichtigsten Aspekte seines Systems durch, versuchte die Formulierungen, die er im Kopf hatte, zu vereinfachen. Ihm gegenüber in der Kutsche saß der Duc d'Orleans. Er sah nicht gut aus.
    »Wieso können Sie nicht warten, bis Ihre Majestät endlich stirbt! Und wieso ist Ihre Majestät nicht längst gestorben? Bereits vor neun Jahren hat man geglaubt, die Sonnenfinsternis sei ein untrügliches Zeichen. Ihre Majestät müsste längst tot sein.«
    Der Herzog rang nach Luft. Ihm war übel.
    »Wir brauchen nicht nur ein besseres Finanzsystem, Monsieur Law, wir brauchen auch bessere Weine«, keuchte der Herzog, »ist es denn akzeptabel, dass man für ein bisschen Genuss so viel leiden muss?«
    »Nur wenn man mehr als vier Flaschen trinkt«, gab John Law zurück.
    »Wenn ich Regent bin, Monsieur Law, dann wird alles anders. Ich werde diese schäumenden Mischweine verbieten.« Der Herzog lehnte sich wieder zurück und schloss die Augen: »Ist es wahr, dass Sie die Kabbalistik für die dümmste Form des Aberglaubens halten?«
    »Ich weiß, wer das gesagt hat«, entgegnete John Law, »und ich versichere Ihnen, es war kein Schotte.«
    »Ja, ja, dieser alte Schwätzer und Intrigant von Saint Simon. Einerseits lobt er Ihr Bankenprojekt, anderseits hält er es für untauglich für dieses Land. Ich

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