Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
Vom Netzwerk:
miniature aus Holz geschnitzt hatte. Manchmal gab es entsetzte Schreie oder großes Gelächter. Catherine genoss die familiäre Atmosphäre. Und wenn John Law zu ihr aufschaute, strahlte sie übers ganze Gesicht.
    »Ist es nicht seltsam«, sagte John nach einer Weile, »ich wollte eine Bank gründen, eine Nation verändern, die Welt der Finanzen revolutionieren, und jetzt sitze ich da und vergnüge mich an einem Spielbrett, das gerade mal drei Personen begeistert.«
    Die Kinder kicherten.
    »Du könntest Spiele erfinden, eine Manufaktur gründen, die Jetons herstellt, Brettspiele schreinert und bemalt«, lachte Kate. Sie hatte ein sonniges Gemüt und strotzte vor Gesundheit. Im Gegensatz zu ihrem Bruder, der häufig kränkelte. »Du erfindest Spiele«, amüsierte sich Kate, »und wir prüfen die Spiele. Wir sagen dir, ob die Spiele lustig sind.«
    »Nein, Kate«, sagte John junior mit ernster Stimme, »ich will Bankier werden.«
    Catherine legte ihr Buch beiseite und berührte Johns Hand: »Du hast alles versucht, John. Vergiss Philipp von Orleans. Du bist ein erfolgreicher Bankier und einer der renommiertesten Kunsthändler der Gegenwart. In allen Salons bist du ein stets gern gesehener Gast...«
    Plötzlich zuckte John Law zusammen und hielt sich mit beiden Händen den Oberbauch fest. Sein Kopf klatschte auf die Tischplatte. Die Kinder erstarrten.
    »John?« Catherine war aufgesprungen. »John, was hast du? Soll ich nach dem Arzt rufen?«
    »Nein!«, stöhnte John, »bloß keinen Arzt. Glaubst du, der Herzog würde einem kranken Mann die Staatsfinanzen anvertrauen?«
    Er richtete sich wieder auf. Er lächelte seine beiden Kinder an: »Macht euch keine Sorgen. Das sind kleine Steine. Viel kleiner als Spielsteine. Die wandern durch den Körper. Und wenn es eng wird, verursachen sie Schmerzen. Aber das Leben geht weiter.«
    Während die Familie Law sich zu Bett begab, erwachten die Straßen draußen zu gespenstischem Leben. Die Kälte des nahenden Winters trieb nicht nur Wölfe und Füchse in die Stadt, sondern auch Wegelagerer, Banditen, desertierte Soldaten. Es war eine neue Qualität des Brigantentums. Das soziale Elend hatte tausende von einst rechtschaffenen und fleißigen Menschen in die Kriminalität getrieben. In den frühen Morgenstunden hörte man Schreie, Pistolenschüsse, das Klirren von eingeschlagenen Fensterscheiben, sah man das Aufflackern von Feuern. Die Polizei hielt ihre Männer in den Garnisonen zurück. Es hatte keinen Sinn, sie nachts in den Tod zu schicken. Im Schutz der Dunkelheit geisterte die Anarchie durch die verwinkelten Gassen von Paris. Am Morgen fand man dann die Opfer der nächtlichen Streifzüge und Scharmützel, Männer und Frauen, erstochen, erdrosselt, erschlagen. Und überall, wo sich das Gesetz nicht mehr zeigte, uferte die Gewalt aus. Sie erinnerte an die übelsten Auswüchse der vergangenen Kriege. Doch in diesem Krieg gab es weder Fahnen noch Uniformen. Man kämpfte weder für die Ehre noch für eine Nation. Man kämpfte ums nackte Überleben. Man mordete nicht für ein Königreich, sondern für eine Hand voll Mehl.
     
    Eines Morgens in diesem Winter des Jahres 1716 empfing John Law den Marquis d'Argenson in seinem Arbeitszimmer im Obergeschoss der Stadtvilla an der Place Louis-le-Grand.
    »Monsieur«, lächelte John Law, »es bedarf keines Ausweisungsbefehls Ihrerseits, damit ich dieses Land verlasse. Ich werde freiwillig gehen, aus Überzeugung.«
    »Ich bin nicht hergekommen, um Sie auszuweisen, Monsieur Law«, beschwichtigte ihn d'Argenson, »der Due d'Orleans schickt mich. Er hat Sie vermisst. Er ist besorgt. Er lässt mich fragen, ob es Ihnen an irgendetwas fehlt.«
    John Law bat d'Argenson Platz zu nehmen und wies den Diener an, Erfrischungen zu reichen.
    »Lassen Sie dem Regenten ausrichten, dass es mir an nichts fehlt. Ich bin vermögend genug, um für mich und meine Familie bis an das Ende unserer Tage zu sorgen.«
    D'Argenson nickte anerkennend.
    »Ich muss nicht eine Bank betreiben, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten«, fuhr John fort. »Meine privaten Finanzgeschäfte sind erfolgreich genug. Nur zu gern hätte ich auch den König an meinen Erfolgen partizipieren lassen. Allein aus diesem Grund habe ich mich über zehn Jahre um die Gründung einer Bank bemüht. Zum Wohle Frankreichs. Aber ich brauche diese Bank nicht. Ich brauche sie nicht mehr.«
    D'Argenson nahm das Glas Wein, das ihm der Diener eingeschenkt hatte, in die Hand und führte es zur

Weitere Kostenlose Bücher