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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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und Hände steckten in den Haltevorrichtungen des Prangers, hinter dem ein Plakat aufgehängt war: Voleurs du peuple, Dieb am Volke. Eine schadenfroh kreischende Menge hatte den Pranger umringt und bewarf nun den Bankier mit Unrat und Schmutz. Endlich konnten sie ihrem Ärger freien Lauf lassen. Endlich kriegten sie einen von diesen edlen Herren, die diskret in vierspännigen Kutschen durch Paris fuhren, in die Hände. Sie kannten diesen Samuel Bernard nicht. Sie wussten nur, dass er reich war und dass die Krone ihn dem Volk zum Fraß vorgeworfen hatte. An ihm entlud sich der ganze Zorn über ihr erbärmliches Dasein in Hunger und Armut.
    Im Laufe des Nachmittags wurden weitere, bis vor kurzem noch hoch angesehene Pariser Finanziers auf den Platz geführt. Wie hungrige Wölfe lauerte die Menge und prüfte andauernd die Grenzen, die man unter den Augen der Gardepolizisten überschreiten durfte. Die Finanziers sollten den Tag überleben, aber die Lektion, die ihnen Noailles erteilte, sollte keiner je wieder vergessen. Jeder sollte sehen und begreifen, dass unter Noailles keine Tabus mehr herrschten und dass jeder angreifbar war, ganz egal, wie hoch seine Verdienste in der Vergangenheit gewesen sein mochten.
    Am Abend kauerten bereits zwei Dutzend halb nackte Finanziers im Dreck. Soldaten steckter sie in Halsketten und führten sie wie Galeerensträflinge durch die Straßen. Sie alle trugen die Plakate am Hals: Voleurs du peuple.
    An diesem Abend stand Antoine Crozat in seiner privaten Galerie und betrachtete ein Gemälde, das die Ankunft von Schiffen in der Neuen Welt zeigte, als ein Diener Besuch meldete. Kurz darauf erschien der Duc de Noailles.
    »Ich habe Sie schon erwartet, Noailles«, sagte Crozat le Riehe, ohne seinen Blick von dem Gemälde abzuwenden.
    »Ich bedaure«, begann Noailles, »was dem Bankier Samuel Bernard widerfährt.«
    »Sie bedauern gar nichts, Noailles, Sie haben uns Samuel Bernard öffentlich vorgeführt. Sehr überzeugend. Jetzt können Sie Ihren Preis nennen.«
    Noailles blieb vor einer Skizze von Leonardo da Vinci stehen und mimte den Kunstinteressierten. »Ihre berühmte Kunstsammlung? Ich hatte leider nie die Ehre, zu Ihren Gästen zu gehören ...«
    Crozat baute sich wutentbrannt vor Noailles auf und fauchte ihn an: »Ich habe diese Sammlung in vierzig Jahren redlich erworben. Und jedes Gemälde, das ich der königlichen Sammlung abgekauft habe, wurde doppelt bezahlt! Nennen Sie Ihren Preis, Noailles, aber in Louisdor!«
    »Zehn Millionen Livre«, gab Noailles trocken zurück.
    »Soll ich etwa allein das Staatsdefizit tragen?«, schrie Crozat. »Bestraft man so den Tüchtigen? Sind das die Zeichen, die Sie setzen wollen? Dem Tüchtigen wird alles genommen. Erst wurden die Hugenotten vertrieben. Sie sind gegangen und haben Amsterdam zu einer blühenden Wirtschaft verholfen. Sind jetzt die Bankiers an der Reihe? Sie werden bald allein sein in Paris, Noailles, allein mit Ihrem ganzen Brigantentum. Zehn Millionen! Sie sind von Sinnen! Ich bezahle nicht für die Sottisen unseres verstorbenen Königs, für sein marodes Versailles und seine sinnlosen Kriege!«
    Noailles lächelte gelassen und spitzte süffisant die Lippen: »Sie unterschätzen unsere Sorgen, Monsieur«, sprach er vornehm leise, »das Staatsdefizit wächst stündlich ins Uferlose. Deshalb haben wir im Grand Augustins eine Justizkammer eingerichtet.«
    »Mit einer unterirdischen Folterkammer, habe ich mir sagen lassen«, unterbrach ihn Crozat wütend.
    »Ja«, gab Noailles freimütig zu, »die eingesetzte Sonderkommission hat tatsächlich die Befugnis, Profiteure abzuurteilen und zu bestrafen. Die Blutsauger der Krone werden zur Ader gelassen!«, triumphierte Noailles. »Achttausend Menschen werden der Krone zweihundertzwanzig Millionen Livre übergeben. Ich hoffe es jedenfalls, denn wir haben zu wenig Galeeren, um all diese Blutsauger an die Riemenbänke zu ketten.«
    »Drei Millionen!«, zischte Crozat.
    »Wenn Sie drei Millionen zahlen«, lächelte Noailles, »wird Ihnen die Todesstrafe erspart bleiben. Dann haben Sie Anrecht auf die Galeere, zweite Reihe links. Mit Blick aufs Meer. Bei vier Millionen gewähre ich Ihnen die Gnade der Streckbank mit anschließendem Aufenthalt in der Bastille. Auf unbestimmte Zeit.«
    »Sie treiben Frankreich vollends in den Ruin, Noailles! Sie hacken die Hand ab, die Sie füttert!«
    »Sechs Millionen und sechshunderttausend«, entgegnete Noailles amüsiert, »das erweckt den Eindruck, wir

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