Das Große Spiel
hätten hart gefeilscht. Mein letztes Wort. Sagen Sie zu oder verabschieden Sie sich von Ihren Lieben.«
»Ich werde das Geld auftreiben«, sagte Crozat mit gepresster Stimme. »Aber verschwinden Sie jetzt aus meinem Haus!«
»Sechs Millionen sechshunderttausend Livre«, wiederholte John Law.
»Und das sofort.« Crozat starrte trotzig aus dem Fenster in den Innenhof von John Laws Anwesen. »Ich bürge mit meiner Gemäldesammlung.«
Ein Diener meldete die Ankunft von Saint Simon. John Law bat, ihn einzulassen. Er wandte sich an Crozat: »Sie können auf mich zählen, Monsieur. Zu groß ist der Respekt, den ich Ihren Leistungen, Ihrem Mut und Ihrer Person zolle.«
Crozat verneigte sich voller Dankbarkeit. In diesem Augenblick stürmte Saint Simon in den Salon und schwenkte eine Pariser Tageszeitung:
»Die Anarchie, Messieurs, die Anarchie bricht aus!« Er faltete die Zeitung auseinander und las: »Es ist nicht mehr möglich, in Worten auszudrücken, was für ein Elend in der Provinz herrscht. Auf dem offenen Land wimmelt es von Räubern, wir wagen es aus Angst vor Raubüberfällen, die jeden Tag geschehen, nicht, die Stadt zu verlassen. Nirgendwo sonst gibt es ein Land wie dieses, und wenn der König nicht zahlt, dann riskieren wir, dass es zu einer Revolte kommt. Zu einer großen Revolution.« Die letzten Worte hatte Saint Simon fast geschrien. »Der König kann seine Garde nicht mehr bezahlen. Die Offiziere drohen unverhohlen mit Meuterei. Und alle Finanziers fliehen ins Ausland. Das Geld flieht mit. Wir haben noch weniger Geld im Land als vor diesen unrühmlichen Schauprozessen. Allein letzte Woche sollen sich hunderte in ihren Häusern aufgehängt haben. Hunderte! Wie Zechpreller stehlen sich die Menschen aus dem Leben.«
Plötzlich ging eine Fensterscheibe zu Bruch. Steine flogen gegen die Fassade. Man hörte wütende Menschen skandieren. John Law zog seinen Degen und ging neben der Fensternische in Deckung.
»Jetzt muss ich Sie auch noch um Asyl bitten«, scherzte Crozat. Saint Simon hatte sich unter den Tisch geduckt und schaute Crozat mit großen Augen an: »Gehen Sie um Himmels willen in Deckung, Monsieur.«
Crozat schien nicht beeindruckt: »Das bin ich aus der Neuen Welt gewohnt, Monsieur le Duc.« Seelenruhig zog er seinen Degen: »Dort stehen Sie jeden Tag vor einer neuen Lage, irgendjemand trachtet Ihnen immer nach dem Leben, aber keiner will Ihnen sechs Millionen sechshunderttausend Livre abknöpfen.«
»Bezahlen Sie keinen Sous«, sagte Saint Simon, »wenden Sie sich an die Mätresse von Noailles. Sie bezahlen ihr heimlich eine halbe Million Livre, und dafür bewirkt sie bei Noailles, dass man Ihre Schuld halbiert. Das ist der aktuelle Kurs.«
Als weitere Steine flogen, kroch Saint Simon zum Kamin hinüber und verschanzte sich hinter einem umgekippten Stuhl. John Law gab der Dienerschaft, die erschreckt den Salon betreten hatte, Order, eine Wachmannschaft anzuheuern.
Crozat schritt mutig vor das Fenster und schaute auf die Straße hinaus: »Jetzt ist die Zeit reif für Ihr Bankenprojekt, Monsieur Law. Wenn selbst die Mätresse von Noailles Schutzgelder erpresst, haben wir den Tiefpunkt endgültig erreicht.«
Während er die letzten Worte aussprach, krachte eine brennende Fackel gegen das Fenster und blieb im schmiedeeisernen Fenstergitter hängen.
»Noailles«, schrie der Due d'Orleans, »der Schotte soll seine Bank haben!« Der Regent stand in der Dunkelheit vor dem großen Fenster im ersten Stock, das direkt über dem majestätischen Eingangsportal lag. Er sah, wie unten auf dem Platz neue Soldaten in Stellung gingen und Warnschüsse in die Luft feuerten. Jemand entzündete im Salon ein Licht.
»Licht aus!«, brüllte der Regent und fuhr herum. »Sollen wir hier alle zur Zielscheibe werden?« Sofort löschte der Diener die Kerze und schritt mit nervösen Verbeugungen rückwärt; zum Ausgang.
»Ich brauche mehr Details«, flüsterte Noailles. Jetzt trat auch er vors Fenster und schaute auf den Hof hinunter.
»Mehr Details, mehr Details. Zum Teufel, Noailles, Sie brauchen immer mehr Details. Nicht einmal Gott kann Ihnen mehr Details geben. Wollen Sie Garantien? Es gibt keine Garantien, Noailles. Wir haben keine andere Wahl mehr.«
»Darf ich sagen, was ich denke, Monsieur le Regent?«
»Ich weiß, was Sie denken, Noailles. Sie wägen das Für und Wider ab, wägen sorgfältig ab, prüfen erneut, jeden Aspekt...«
»Ich bin vorsichtig, Monsieur le Regent...«
Der Regent drehte
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