Das Große Spiel
kann mich auf Ihr Wort verlassen, Monsieur?«, fragte John Law skeptisch.
»Ja«, antwortete der Regent entschlossen, »die Zeit der Feste ist vorbei. Jetzt wird gearbeitet. Jetzt bringen wir Frankreich zu
richtiger
Blüte
!«
Kapitel XII
Sommerlich warmes Licht fiel auf die Marmorstufen des Palais an der Place Louis-le-Grand, als Schweizer Lakaien in grünen Livreen im Frühjahr 1716 die schweren Eichenflügel des neuen Geldtempels aufstießen. Einige Adlige und Finanziers waren gekommen, um der Eröffnung einer Bank beizuwohnen, die bereits seit Tagen in den Zeitungen, vor allem in der »Gazette de la Regence«, verspottet wurde. Die neue Banque Generale verfügte über kein eigenes Gebäude, sondern war im Privathaus der Familie Law untergebracht.
Gegen Mittag fuhr zum allgemeinen Erstaunen der Schaulustigen, die sich an diesem Vormittag zum boshaften Tratsch auf dem Platz eingefunden hatten, ein Konvoi von mehreren Kutschen vor. Die Wagen trugen die Insignien des Duc d'Orleans. Diener des Regenten stiegen aus und entluden schwere Eichentruhen, die mit gusseisernen Metallriemen verstärkt waren. Die Männer ließen sich Zeit. Die Schaulustigen sollten sehen, was sich da ereignete. Der Regent brachte Geld in die neue Bank. Der Regent schenkte John Law öffentlich sein Vertrauen. Die Truhen wurden hintereinander aufgestellt. Es waren drei Stück. Sechs Diener postierten sich jeweils an den Seiten. »Messieurs«, sagte der Erste Diener leise. Auf dieses Kommando hin beugten sich alle Diener gleichzeitig nach den seitlich angebrachten Griffen der Truhen, umklammerten sie, hievten sie hoch und schritten langsam die Stufen zur Bank hinauf. Einige der Umstehenden folgten der Dienerschaft in die lichtdurchflutete Empfangshalle im Erdgeschoss.
Ein groß gewachsener Mann mit dunkelbrauner Perücke stand hinter der Balustrade im ersten Stock und stieg nun langsam die Treppe zur Halle hinunter. Er trug eine mit tiefroten Samtfäden bestickte Robe. Es war der Hausherr, John Law of Lauriston, Direktor der Banque Generale. Die Schweizer Lakaien waren in respektvollem Abstand um ihn geschart. John Law begrüßte den Ersten Diener des Regenten. Er sprach laut und deutlich, sodass ihn alle Anwesenden gut verstehen konnten. Er bestätigte den Erhalt von einer Million Livre in Gold- und Silbermünzen.
»Eine Million Livre!«, ereiferte sich Samuel Bernard in seinem Salon und warf die Zeitung auf den Tisch. Noailles, d'Argenson und Crozat wechselten bedeutungsvolle Blicke. Jetzt wandten sich alle an Larcat, den Herausgeber der »Gazette de la Regence«. Dieser mimte den Unschuldigen und rieb sich nervös die feuchten Handflächen.
»Wie konnte das bloß geschehen!«, schrie Samuel Bernard. In seinem Gesicht zeugten üble Schrammen und Wunden von der öffentlichen Schmach, die man ihm vor nicht allzu langer Zeil zugefügt hatte.
»Ganz Paris lacht über diese Bank«, polterte Samuel Bernard und griff erneut nach der Zeitung, »Ihre Zeitung hätte diesen Schotten in wenigen Wochen wie eine Laus zerquetschen müssen. Haben Sie schon vergessen, mit wessen Geld Sie Ihre neuen Druckerpressen gekauft haben? In Zukunft holen Sie sich Ihre Kredite bei unserem Finanzminister Noailles.« Samuel Bernard warf Noailles einen bösen Blick zu.
»Ich protestiere, Monsieur«, meldete sich Verleger Larcat räuspernd und hüstelnd zu Wort, »der Regent hat mit seiner Amnestie hunderte von freien Plätzen in der Bastille geschaffen. Sie mögen mich tadeln, Monsieur, aber der Tadel wiegt weniger schwer als die Aussicht, ein Jahr in der Bastille zu verbringen!«
Bernard griff erneut nach der Zeitung und warf sie Larcat gleich wieder an den Kopf: »In euren Schreibstuben gebärdet ihr euch wie wilde Löwen, unerschrockene Kämpfer, aber hier draußen in der freien Wildbahn seid ihr nichts anderes als Kojoten, Aasfresser, Feiglinge, elende Feiglinge!«
Larcat reckte beleidigt den Hals und tat so, als habe er nichts gehört.
Bernard setzte nach: »Selbst für ein ehrenhaftes Duell ist euresgleichen zu feige.«
»Selbst wenn ich Sie im Duell töte, Monsieur, erwartet mich nach dem Gesetz die Todesstrafe ...«
Bernard machte eine abfällige Handbewegung. Larcat protestierte: »Würde ich jedes Duell annehmen, Monsieur, der Tag hätte zu wenig Stunden, um all den erbosten Lesern Satisfaktion zu gewähren.« Bernard schüttelte nur noch verärgert den Kopf. Dann herrschte plötzlich Schweigen. Schließlich ergriff d'Argenson das Wort.
Weitere Kostenlose Bücher