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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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an dessen Seiten riesengroße Flügel montiert waren.
    »Ein Bauernsohn, der zum Künstler wurde«, sinnierte Crozat. Er stand in seiner Gemäldegalerie und warf John Law einen Blick zu. »Ein Künstler, der zum Universalgenie wurde.«
    Die Skizze von Leonardo da Vinci zeigte ein futuristisches Fluggerät, das an eine Nussschale erinnerte, die man mit Fledermausflügeln ausgestattet hatte.
    »Halten Sie es für möglich, Monsieur Law, dass eines Tages solche Geräte über die Dächer von Paris fliegen?«
    »Ich bin überzeugt davon, Monsieur Crozat«, erwiderte John Law mit ernster Miene, »ich glaube, dass alles, was wir uns ausdenken, eines Tages realisiert werden wird. Alles. Es gibt keine Grenzen.«
    »Sind Sie da ganz sicher, Monsieur?«, fragte Crozat. Ein seltsames Lächeln huschte über seine Lippen. »Glauben Sie tatsächlich, dass wir solche Fluggeräte bauen würden, wenn wir dazu in der Lage wären? Und dass wir sie benutzen würden?«
    »Da bin ich mir absolut sicher«, entgegnete John Law. Er begriff nicht ganz, worauf Crozat hinauswollte. Er betrachtete bereits das nächste Bild von Leonardo, eine Luftschraube.
    »Vielleicht würden die Kutscher dagegen protestieren.«
    »Die Kutscher?«
    »Die Flugobjekte würden ihnen wahrscheinlich Gäste wegnehmen. Vor allem auf den lukrativen Strecken über Land. Stellen Sie sich das mal vor, die Kutscher würden diese Flugobjekte verbrennen wollen.«
    »Sie könnten ihre Kutschen verkaufen und die Handhabung dieser Flugobjekte erlernen«, sinnierte John Law.
    »Ein Kutscher würde das nie tun, Monsieur Law«, sagte Crozat mit ernster Stimme, »er würde diese Flugobjekte abfackeln, obwohl er genau wüsste, dass diesen Flugobjekten die Zukunft gehört. Einfach, weil sie seine Geschäfte stören. Das Geschäft des Kutschers mag das Geschäft von gestern sein. Aber was nutzt dem Kutscher der ganze Fortschritt, wenn es sein jetziges Einkommen schmälert? Die Menschen sind faul und träge, Monsieur, sie lernen nicht gern Neues, sie geben nicht gern alte Gewohnheiten auf. Der Fortschritt macht ihnen Angst. Und sie empfinden Neid und Hass gegenüber jenen, die sich mutig dem Neuen zuwenden. Das ist der Feind des Fortschritts, Monsieur. Flugobjekte wären eine wunderbare Sache, aber selbst wenn sie möglich wären, man würde sie verhindern. Genauso wie ihre Bank, Monsieur.«
    John Law wandte sich abrupt zu dem Marquis um.
    »Es kann sein, dass jemand mein System zu Fall bringen will, Monsieur. Aber es ist nicht aufzuhalten. Die ganze Welt wird eines Tages Banknoten für den Zahlungsverkehr einsetzen. Ich bin felsenfest überzeugt, dass diese Banknoten in einer fernen Zukunft weder mit Silber noch mit Gold gedeckt sein werden! Denn die größte Gefahr meines Systems ist die Launenhaftigkeit der Monarchie. Nicht das System.«
    Crozat atmete tief durch. Jetzt standen sie vor einer Skizze, die ein Gefährt zeigte, das sich unter Wasser bewegen konnte: »Wenn Sie an Ihr System glauben, Monsieur, dann glauben Sie nicht an die Monarchie.«
    »Wenn eines Tages alle Menschen Arbeit haben, werden sie Bildung wollen. Bildung verträgt sich nicht mit Gott und der Monarchie. Ich glaube fest an mein System. Sie können es sabotieren, hinauszögern, aber sie können es nicht aufhalten.«
    Blutjunge Natchez-Indianerinnen servierten das Abendessen. Die Mädchen waren nur mit Lederschürzen bekleidet. In ihrem pechschwarzen Haar steckten exotische, bunte Federn. Die Arme waren tätowiert, geheimnisvolle geometrische Muster, wie man sie in Europa noch nicht gesehen hatte. Mit federndem Schritt betraten sie den Salon, verbeugten sich freundlich und servierten Entenpastete, gebratenes Huhn, gefüllte Taubenbrust, gehackte Rindsbuletten, gegrilltes Schweinefilet und kunstvoll angerichtete Gemüseplatten.
    Crozat erhob sein Glas: »Auf Ihre Bank, Monsieur Law, auf Ihr System.«
    John Law bedankte sich mit einem freundlichen Kopfnicken und erhob seinerseits sein Glas: »Auf unsere Freundschaft, Monsieur, auf Ihre Sammlung, die weltweit ihresgleichen sucht.«
    Die Männer tranken und setzten ihre Gläser wieder ab. Diener servierten den ersten Gang.
    »Monsieur Law«, begann Crozat die Konversation, »es freut mich außerordentlich, einen sachkundigen Kunstkenner in meinem Salon zum Diner begrüßen zu dürfen. Als Sammler fühlt man sich manchmal genauso einsam wie der marchand aventurier in Louisiana. Über die Kunst lässt sich vieles erahnen, was das Herz begehrt und der Verstand nicht in

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