Das Große Spiel
schon ein Geschenk machen wolle, dann solle er mir einfach Aktien im Wert von fünfhunderttausend Livre aushändigen lassen.«
John Law verkniff sich mühsam ein Grinsen und nickte betont verständnisvoll. Saint Simon war überrascht, wie einfach er in den Genuss einer halben Million Livre kam, und ergänzte sichtlich verlegen:
»Mit den Zinsen und Zinseszinsen dürften es dann rund eine Million Livre sein, Monsieur.«
»Ich werde es gleich veranlassen, Monsieur le Duc.«
Saint Simon hob warnend den Zeigefinger: »Aber ich werde einen Teil verbrennen, Monsieur, um meine Standfestigkeit zu demonstrieren. Ich werde nur einen ganz kleinen Teil für die Renovierung meines Anwesens aufwenden.«
»Aber meinen Sie nicht, dass das noch Zeit hat?«, entgegnete John Law. »Und eine kleine Rückstellung für zukünftige Renovierungen sollten Sie schon ins Auge fassen.«
»Nun ja«, murmelte der Herzog gedankenverloren, »das Haus ist tatsächlich nicht mehr das jüngste. Und man gönnt sich ja sonst nichts, denken Sie nicht auch?«
Als der Bankier den Herzog verabschiedet hatte, bat er Angelini, seinen vermeintlichen Onkel hereinzuführen. John begrüßte den Schriftsteller mit einer innigen Umarmung. Er nahm »Robinson Crusoe« zur Hand.
»Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Werk, Monsieur Defoe, ich hörte gerade, dass Sie damit großen Erfolg haben.«
»Ich bin zufrieden«, gab Defoe bescheiden zurück, »die erste Auflage kam im April dieses Jahres heraus, wir haben jeden Monat eine neue Auflage gedruckt und bereits Übersetzungen ins Französische und ins Deutsche in Aussicht.«
Defoe legte ein zweites Buch auf den Tisch: »Das ist bereits die Fortsetzung. Sie ist im August erschienen. Es wird noch einen dritten Teil geben.« Defoe beobachtete aufmerksam, wie John Law das Buch durchblätterte.
»Ich vermisse Ihren Namen auf der Titelseite«, bemerkte John Law.
»Ich bin auf Seite drei aufgeführt, als Herausgeber«, sagte Daniel Defoe und schlug die entsprechende Seite auf.
»Robinson Crusoe.Von ihm selbst verfasst«, las John Law. Defoe lachte: »Ich wollte den Anschein erwecken, als hätte sich diese Geschichte tatsächlich so ereignet. Die Menschen mögen diese Art des Schreibens, realitätsnah wie ein Tatsachenbericht aus der Zeitung. Man sagt, ich hätte eine neue Gattung erfunden.«
»Ich bin stolz auf Sie, Sir!«, sagte John Law.
»Danke Sir, Ihre Anerkennung bedeutet mir sehr viel. Mein Robinson verkörpert das aufkommende unternehmerische Bürgertum unseres Jahrhunderts. Und Sie, Monsieur Law, Sie machen es möglich. Sie sind Teil dieses Aufschwungs. Seit Ihr Stern am europäischen Himmel aufgegangen ist, verfallen die Handelsgesellschaften in den anderen Ländern. Man sagt, Sie würden mit Ihrer Mississippi-Kompanie England in die Knie zwingen.«
»Viel Feind, viel Ehr«, lachte John Law, »sobald Sie die Menge überragen, stehen die Neider mit der Sense da.«
»Wem sagen Sie das«, entgegnete Daniel Defoe melancholisch, »mir wirft man vor, ich hätte die Reiseberichte des Schiffsarztes Henry Pitman und das Buch >Krinke Kesmes< von Hendrik Smeeks benutzt und daraus eine neue Suppe gekocht. Wenigstens attestiert man mir, dass meine Suppe sehr bekömmlich ist.«
»Ich bin gerührt, dass Sie an mich gedacht haben, Monsieur«, sagte John Law, als er die Widmung in den beiden Büchern sah.
»Ich hatte es Ihnen versprochen. Ich saß in der Zwischenzeit einige Male im Gefängnis von Newgate. Da musste ich an Sie denken, Monsieur. Und ich schwor mir, falls ich jemals rauskomme, werde ich nach Paris fahren und Ihnen ein Exemplar überreichen. Jetzt sind es zwei geworden.«
»Danke, Mr Defoe. Kann ich mich irgendwie revanchieren?«
»Ich würde mein Autorenhonorar gern in Mississippi-Aktien investieren. Aber die Preise da draußen sind mir zu hoch.«
John Law lächelte vergnügt und bat Defoe, Platz zu nehmen.
Wenig später saß Daniel Defoe John Law gegenüber in der Kutsche, die sich langsam in Richtung Place Louis-le-Grand bewegte. Eine große Menschenschar folgte ihr. Rufe wurden laut: »Gott schütze den König und John Law!«
Daniel Defoe hatte sich ein faustgroßes Tintenfass zwischen die Knie geklemmt. Aufmerksam lauschte er John Laws Ausführungen, tunkte seinen Federkiel in die Tinte und machte sich Notizen.
»Meine Leser werden entzückt sein«, frohlockte Defoe und warf den Leuten, die immer noch im Laufschritt der Kutsche folgten, einen flüchtigen Blick zu. John Law zog eine Holzkiste
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