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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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verlieren!«
    Catherine leerte ihre Teetasse und schenkte sich nach. Sie wirkte abwesend. Sie sprach leise, als schäme sie sich ihrer Worte: »Es ist wunderschön, den Halt zu verlieren. Man fällt und fällt und stößt unverhofft auf etwas Neues. Auf etwas Unbekanntes. Wir verlassen die Höhlen und bauen Holzhütten. Wir verlassen die Holzhütten und bauen Häuser aus Stein. Wir löschen die Fackeln und erleuchten die Straßen Londons mit Laternen ... John Law erzählte mir sogar von Dampfmaschinen, die die Arbeitskraft von zwanzig Männern ersetzen ... Vielleicht werden eines Tages alle Menschen Arbeit haben, Geld, um sich einen Arzt leisten zu können. Vielleicht werden alle Menschen in Wohlstand leben, und dann werden sie keine ehelichen Verbindungen mehr eingehen, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern, sondern sie werden sich den Luxus leisten, aus Liebe zu heiraten.«
    »Mag sein, dass das eines Tages der Fall sein wird. Aber wir werden es beide nicht mehr erleben. Und wir leben nun einmal heute. Also hören Sie auf damit, Catherine. Bedenken Sie, dass Sie immer noch mit Sir George of St. Andrews verheiratet sind. Das hat für unsere Familie einen Wert, und zwar einen nicht zu geringen. Nennen Sie mir dagegen den Wert der Liebe! Bringt die Liebe Geld, Häuser, Ländereien oder Erbschaften?«
    »Leidenschaft«, sagte Catherine leise. Sie war jetzt sehr ernst geworden, »die Liebe entfesselt ... Leidenschaft. Sie macht stark. Sie gibt Kraft. Sie versetzt Berge. Das ist es, Leidenschaft.«
    Lord Branbury setzte sich neben seine Schwester und berührte ihre Hand: »Aber, Catherine, welchen Wert hat denn die Leidenschaft? Der Leidenschaft fehlt jeglicher Verstand, jegliche Vernunft. Ihre Heirat mit Sir George of St. Andrews war eine vernünftige Ehe, weil sie unserer Familie Geld und Ansehen gebracht hat. Aber was bringen Liebe und Leidenschaft?«
    »Die Liebe ist so kostbar, dass man sie nicht einmal kaufen kann.«
    »Niemand will sie kaufen, deshalb hat sie keinen Wert. Sie ist absolut wertlos, Catherine. Kleine Mädchen lieben ihre Hunde, aber diese Liebe ist wertlos. Man kann Hunde auch in der Themse ersäufen.«
    »Lord Branbury, ist das Wasser der Themse wertvoll? Welchen Preis hat das Wasser? Keinen? Ist es deshalb wertlos?«
    »Das Wasser der Themse ist deshalb wertlos, weil wir es im Überfluss haben.«
    »Dann entscheidet also die Verfügbarkeit und die Menge über den Wert einer Sache?«, fragte Catherine. Lord Branbury schüttelte verwirrt den Kopf.
    »Vielleicht ist die Liebe deshalb so kostbar und wertvoll, weil sie so selten ist wie ein Diamant.«
    Lord Branbury rieb sich nachdenklich die Wange. Er hatte offensichtlich unterschätzt, was sich zwischen John Law und seiner Schwester in den letzten Monaten abgespielt hatte. Er schaute sie an und schwieg.
    »Welchen Wert hat Gott?«, sagte Catherine. Ihre Stimme klang jetzt trotzig und zornig.
    »Gott?«
    »Wenn die Liebe keinen Wert hat, hat auch Gott keinen Wert.«
    »Das ist Blasphemie«, entgegnete Lord Branbury.
    »Welchen Wert hat Gott? Bringt er uns Geld, Häuser, Ländereien oder Erbschaften? Sichert er uns das wirtschaftliche Überleben? Ist Gott mehr wert als eine Flasche Gin?«
    »Das ist Blasphemie«, flüsterte Lord Branbury leise.
     
    PARIS, 1695
     
    Maitre le Maignen reichte John Law die Quittung: »Sechstausend Pfund werden in hunderttausend Livre umgetauscht und ausbezahlt in Gold.« Maitre le Maignen schob zwei dicke Lederbeutel über den Tisch: »Ihr Restguthaben beträgt demzufolge viertausend Pfund.«
    John unterzeichnete die Quittung und gab sie dem Notar und Bankier zurück.
    Der Salon, den ihm der Stab des nach Paris exilierten katholischen englischen Königs James II. zur Verfügung gestellt hatte, war nicht luxuriös, aber John Law war dankbar, unmittelbar nach Ankunft auf französischem Boden einen sicheren Hafen gefunden zu haben.
    Maitre le Maignen bedankte sich mit einer würdevollen Verbeugung. Er musterte diesen groß gewachsenen, außerordentlich gut aussehenden Schotten aufmerksam: »Wenn Sie noch einen Wunsch haben, Monsieur Law ...«
    John überlegte nicht lang: »Ich brauche den besten Schneider der Stadt.«
    Der Maitre lächelte, versprach, sich darum zu kümmern, und verließ den Salon.
     
    Das Sonnenlicht strahlte durch die hohen, kunstvoll verzierten Fenster des Salons und schien den aufwändig gekleideten, lebensgroßen Porzellanpuppen entlang den Wänden ein Lächeln abzugewinnen. Die Puppen waren wie

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