Das Große Spiel
repräsentative Kunstwerke eingekleidet und verkörperten all das, was der französische Sonnenkönig Louis XIV. wie eine Heilige Schrift der Mode in alle Welt hinausgetragen hatte: ein streng reglementierter Ausdruck an selbstgefälliger Fantasie, protzige Verschwendung mit allerlei Borten, Manschetten, Spitzen, Stickereien, Pelzbesatz, Schleifen, Knöpfen, Bändern, Federn, Rüschen, Girlanden und Quasten, graue, hautenge Kurzmäntel, Justaucorps, die bis zu den Knien reichten, dunkelrote Kniehosen, enge Westen. Dazu weiße seidene Strümpfe, Halsbinden, lockere, schulterlange Perücken - die teuren Allongeperücken, die selbst dem kahlköpfigen Sonnenkönig das Aussehen eines kraftstrotzenden Löwen verliehen.
Schneidermeister Duvalier hatte seine besten Schneider, Näher und sogar den königlichen Knopfmeister mitgebracht. In demütig gebückter Haltung stand er zwei Schritte von John Law entfernt und beobachtete den Schotten aufmerksam.
»Darf ich Monsieur nach dem Anlass fragen? Grande Parure?«
»Ich möchte den König sprechen«, entgegnete John Law, ohne sich nach Duvalier umzusehen. Ungeduldig schritt er die Parade der Puppen ab.
»Unsere Majestät liebt die leuchtenden Farben. Er liebt die Seidenstoffe, die Samtstoffe, die Brokatstoffe mit Gold- und Silberstickereien. Er liebt das Silbertuch, das graue Ratine, aber auch apricotfarbenen Stoffe, das kirschfarbene Velours...«
»Ich wünsche mir eine bequeme Kleidung, weniger affektiert«, unterbrach ihn John Law trocken.
»Aber Monsieur, die ganze Welt blickt nach Paris und kopiert, was der König trägt.«
»Ich komme aus London. Dort ist der Nebel so dicht, dass man kaum von einer Hauswand zur nächsten sieht, geschweige denn über den Kanal nach Paris. Aber mir will scheinen, als würde die Mode allmählich zweckmäßiger, bequemer, menschenfreundlicher.« John Law blieb vor einer Puppe stehen, die weiße Beinkleider und einen blauen Justaucorps trug.
Schneidermeister Duvalier schien düpiert. Er wechselte einige Blicke mit seinen Gehilfen und wandte sich dann wieder Law zu: »Das sind schon etwas ältere Modelle, Monsieur.«
John Law lächelte breit: »Ich weiß, als Uniformen noch die Kleidermode prägten. Aber ich möchte nichts tragen, das an den Dreißigjährigen Krieg erinnert. Ich möchte etwas tragen, das in die Zukunft weist. In einer nicht mehr allzu fernen Zukunft wird es keine Kriege mehr geben. Wir werden uns von Vernunft und Pragmatismus leiten lassen, unsere Überlegungen werden nüchtern und logisch sein. Alles, was wir tun werden, wird objektiv überprüfbar, echt sein.«
»Monsieur, ich fürchte, wir verstehen Sie nicht.«
John Law beugte sich zu Duvalier und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich wünsche mir eine Hose, die mich nicht kastriert.«
Die Abende verbrachte John Law meist im roten Salon der englischen Katholiken auf Schloss St. Germain-en-Laye. Hier wurde an jedem Tag gespielt, und man gewährte dem jungen talentierten Schotten die Gunst, die Bank zu führen. Auch Sir George of St. Andrews war ein regelmäßiger Gast des roten Salons. Er suchte vom ersten Tag an die Nähe des Schotten.
Und so verwunderte es John nicht, als der Engländer schließlich eines Abends abwartete, bis alle anderen Gäste gegangen waren, und ihn ansprach.
»Ich erhielt Post aus London, Monsieur Law.«
John Law verteilte die Karten und schob Sir George einen Stapel Karten über den grünen Filztisch. Den zweiten Stapel behielt er für sich.
»Was gibt es Neues in London?«
Sir George erhielt eine Karte, tätigte seinen Einsatz und legte seine Karte offen hin. »Ganz London spricht von Ihrer abenteuerlichen Flucht.«
John Law legte auch seine Karte offen. Er hatte erneut gewonnen. Routiniert wurde weitergespielt, Runde um Runde.
»Ich hörte, Sie seien in London meiner Ehefrau begegnet, Catherine Knollys.«
»Ja, ich habe auch im Salon von Lord Branbury gespielt.« John zeigte keine Gefühlsregungen. Der lauernde Unterton von Sir George war ihm nicht entgangen. »Werde ich das Vergnügen haben, Ihre Frau Gemahlin in Paris begrüßen zu dürfen?«
Sir George hatte erneut verloren. Er atmete tief durch und forderte neue Karten. Plötzlich brach es aus ihm heraus: »Wie machen Sie das bloß, Monsieur Law? Haben Sie überhaupt jemals verloren?«
»Es kommt vor. Aber nicht oft. Ich betrachte das Kartenspiel als Profession, nicht als Amüsement.«
»Verraten Sie mir Ihre Tricks, Monsieur. Es muss einen Trick geben.«
»Es gibt keinen, Sir
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