Das Große Spiel
entgegnete Catherine, »würde ich die Aufforderung annehmen.« Und mit diesen Worten schlug sie ihm die flache Hand ins Gesicht. Dann verließ sie den Saal.
Kapitel VIII
VENEDIG, 1695
John Law quartierte sich gegenüber der renommierten Banco di San Giorgio ein und stattete ihr gleich am nächsten Tag einen Besuch ab. Sie war neben der im Jahr 1619 gegründeten Banco del Giro und der Banco del Rialto Venedigs bedeutendstes Bankinstitut, ein imposanter Renaissancebau mit korinthischen Säulen und aufwändig mit römischen und griechischen Motiven verziert.
Während der Due di Savoia, der Direktor der Bank, das Kreditschreiben von Maitre le Maignen prüfte, schenkte er Law ein wohlwollendes Lächeln. Niederländische und italienische Maler zierten die dunkel gebeizten Holztäfelungen an den Wänden des prunkvollen Salons. Er diente dem Bankier als Arbeitszimmer. Helles, warmes Licht drang durch die hohen Fenster und schien die zahlreichen Fresken und Trompe-l'CEil-Malereien zum Leben zu erwecken.
An einem kunstvoll geschnitzten Tisch saßen zwei Sekretäre. Sie waren mit Schreibarbeiten beschäftigt. Hinter ihnen war eine doppelflügelige Tür weit geöffnet. Sie gab den Blick auf eine Bibliothek frei, die sich bis zum Hof des Palazzo erstreckte.
»Sie bleiben länger in Venedig, Signor Law?«
»Ja«, entgegnete John Law. Nicht weil er das glaubte, sondern weil er diese Antwort für die nützlichste hielt. Law erzählte, dass er beabsichtige, eine wirtschaftstheoretische Abhandlung über »Geld und Handel« zu publizieren und zu diesem Zwecke mehr über die renommierten Bankinstitute Venedigs erfahren möchte. Er erzählte von Edinburgh, von London, von Paris, von seinen Gesprächen mit dem Due d'Orleans, nicht zu viel, aber doch so viel, dass sich ein Außenstehender das eine oder andere zusammenreimen konnte und ihn anschließend in die Kreise der Reichen und Mächtigen einführte. Der Due di Savoia erläuterte John Law, dass die venezianischen Banken nicht einfach Banken seien, bei denen Gläubiger Münzen deponierten und dafür eine Gutschrift auf Papier erhielten. Nein, die venezianischen Banken bestanden aus einer adligen Personengruppe von sehr vermögenden Gläubigern, die dem Staat Geld geliehen hatten und im Gegenzug die Einnahmen des Staates verwalteten. Sie erwarben Besitztümer, unterhielten Armeen und Flotten, führten Krieg und leiteten Staatsverträge in die Wege.
Als der Due di Savoia John Law das gewünschte Bargeld aushändigte, fragte er ihn, ob er ihm noch irgendeinen Wunsch erfüllen könne.
»Mesdames, Messieurs, faites vos jeux.«
Der Due di Savoia hatte John Zutritt zu Venedigs renommiertestem Ridotto verschafft: dem Palazzo des Marco Dandolo. Hier verkehrte nur, wer Rang und Namen hatte. Die Ridotti Venedigs stellten alles in den Schatten, was John Law aus England und Frankreich kannte. Die Spielsäle im Palazzo verteilten sich auf mehrere Stockwerke mit unzähligen Spieltischen. Die venezianische Maske war Pflicht und erleichterte die rasche und anonyme Befriedigung jedweden Gelüstes in diskreten Nebenräumen. Je nach Ridotto waren die Einsätze an den Tischen höher oder tiefer. Dort, wo die höchsten Einsätze zugelassen waren, verkehrten auch die Mächtigen der Stadt, geheimnisvolle Mätressen und die ewigen Hasardeure. Es waren notorische Glücksspieler aus allen Teilen Europas, die stets vorgaben, im Übermaß zu besitzen, wonach sie Tag und Nacht lechzten: Geld. Sie schmückten ihre Plaudereien mit scheinbar zufälligen Andeutungen über ihre angeblich erlesene Abstammung, und in Wirklichkeit hausten sie wie Ratten in billigsten Herbergen. Das Einzige, was sie sich leisten konnten, waren das teure Kostüm für ihre abendlichen Auftritte und ein bisschen Kleingeld für den Start. John Law unterschied sich wohltuend von dieser Spezies. Er vermied es, durch Übertreibungen auffällig und unglaubwürdig zu wirken. Er zelebrierte die Kunst, ein Kartenspiel zu lesen, und beeindruckte damit sowohl die reichen Bankiers an den Tischen als auch die Damen, die schmachtend ihre Blicke hinter den Masken verborgen hielten, während sie diskret und weniger diskret mit ihrem Fächer Lust und Verlangen signalisierten.
John Law wurde rasch zum Stadtgespräch. Schon bald bot man ihm Anstellungen in Venedigs renommiertesten Banken an. John Law ergriff die Gelegenheit, sich mit dem Tagesgeschäft des venezianischen Bankwesens vertraut zu machen, und widmete sich tagsüber mit
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