Das Große Spiel
Schraube.
»Das Lotto di Genova... Wer betreibt die Lotterie dort?«, fragte Law.
Vanusio grinste: »Der Staat. Wenn er keine neuen Steuern mehr erfinden kann, erfindet er Lotterien. Beim Lotto di Genova müssen Sie fünf Zahlen von neunzig möglichen Zahlen richtig voraussagen. So funktionieren seit zwanzig Jahren die genuesischen Senatorenwahlen. Aus einer Bürgerliste mit neunzig Kandidaten werden fünf in den Senatorenstand per Los gewählt. Die Leute haben sich mit der Zeit angewöhnt, Wetten abzuschließen. So entstand das Lotto di Genova. Und so funktioniert es heute noch: fünf aus neunzig. Und jetzt wird es überall gespielt, und jeder behauptet, er hätte es erfunden.«
Die gedruckten Bögen wurden getrocknet, später geschnitten und von Hand nummeriert. Schließlich mussten die Herausgeber der Staatsanleihen mit ihrer Unterschrift garantieren, daß der Besitzer zum Tausch gegen dieses Stück Papier den aufgedruckten Gegenwert in Metallmünzen erhält.
Sowohl in der Vorhalle der Banco di San Giorgio als auch vor Marco Dandolos Palazzo fand der Verkauf der Staatsanleihen mit Lotterieberechtigung statt. John Law hatte veranlasst, dass vor dem Palazzo Bewaffnete aufgestellt waren, um die Kostbarkeit der hier verkauften Anteilsscheine noch zu unterstreichen. Gleichzeitig glaubte er, mit der Nähe zum Ridotto des Marco Dandolo zusätzliche Kunden gewinnen zu können: Spieler.
John Laws Produkt, halb Lotterieschein, halb Staatsanleihe, stieß auf ein unerwartet großes Echo. Ganz Venedig sprach darüber. Stundenlang konnte John Law in der Halle der Banco di San Giorgio stehen und die Menschenschlangen beobachten, die Einlass begehrten. Manchmal schien es ihm, als wären Figuren auf einem Schachbrett lebendig geworden. Es war das allererste Mal, dass er ein System nicht an einem Spieltisch auf seine Praxistauglichkeit hin überprüfte, sondern in einer Stadt. Er hatte es plötzlich nicht mehr mit drei, vier oder fünf Spielern zu tun, sondern mit hunderten, ja tausenden von Menschen, die ihr Glück versuchen wollten. Der Faktor Mensch seiner finanzmathematischen Spielideen hatte Gestalt angenommen. Endlich.
»Sie haben Venedig in ein großes Ridotto verwandelt, Signor Law«, scherzte der Due di Savoia, als er John Law wenige Wochen später die erste Abrechnung über die verkauften Anteilsscheine vorlegte. Es war schon spät am Abend. Die Sekretäre waren nach Hause gegangen. Die Unordnung auf dem großen Arbeitstisch zeugte von einem hektischen Tag.
»Ja«, entgegnete John Law, »und niemand braucht eine Maske zu tragen.« John Law sah, dass er umgerechnet bereits über zwanzigtausend Pfund verdient hatte.
»Ich fürchte, Sie werden nie mehr arbeiten müssen, Signor Law. Sie haben bereits mehr verdient als ein königlicher Staatssekretär in ...«, der Bankdirektor überschlug die Zahlen im Kopf, dann machte er große Augen, »... in tausend Jahren.«
Der Due di Savoia reichte John Law ein Dokument, das bescheinigte, dass John Law bei der Banco di San Giorgio in Venedig Gold im Gegenwert von zwanzigtausend Pfund besaß. Gleichzeitig wurde der Empfänger, wer immer das sein würde, angewiesen, John Law, dem Inhaber dieses Dokumentes, beim Vorlegen dieses Dokumentes Bargeld im Gegenwert von zwanzigtausend Pfund auszuhändigen. John Law zeigte keine Regung.
»Es ist nicht das Geld, das zählt, mein hoch geschätzter Due di Savoia, es ist das System, das Verfahren, die Idee. Ich habe heute keine theoretische Abhandlung publiziert, ich habe einen Beweis erbracht. Das Ergebnis ist überprüfbar, wiederholbar. Ich habe eine Maschine erfunden, die den Rohstoff Geld produziert.«
»Und was wollen Sie mit dem Geld tun? Anlegen? Investieren? Unser Bankhaus ist mit der Ausrüstung der genuesischen Armee beauftragt worden. Wenn Sie wollen, können Sie sich daran beteiligen. Die genuesische Armee ist ein besserer Gläubiger als der britische König.«
»Ich würde lieber in Venedig ein Lagerhaus mieten und Gemälde erwerben.«
»Der Bankier Rezzonico vermietet bewachte Lagerhäuser. Aber wollen Sie darin wirklich Gemälde stapeln?«
»Ja. Raffael.Tizian, Rembrandt,Veronese, Caravaggio ...«
»Kennen Sie sich aus mit Kunst?«
»Sie meinen, ob ich den Wert eines Rembrandts kenne? Ich denke, dass er eines Tages mehr wert sein wird als die gesamte Ausrüstung der genuesischen Armee.«
»Und das glauben Sie wirklich?«
»Ich bin sehr glücklich darüber, dass es niemand glaubt. Finden in Venedig Auktionen
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