Das Grosse Spiel
Heute abend hatte es beim abendlichen Üben einen Höhepunkt erreicht. Ender und Alai diskutierten gerade die Feinheiten von Manövern im freien Raum, als Shen herankam und einige Augenblicke zuhörte, dann Alai plötzlich bei den Schultern packte und rief: »Nova! Nova! Nova!« Alai brach in Gelächter aus, und für einen Augenblick oder zwei sah Ender ihnen zu, wie sie sich zusammen an den Kampf erinnerten, als das Manövrieren im freien Raum reell gewesen war und sie an den älteren Jungen vorbeigeschlüpft waren und ...
Plötzlich erinnerten sie sich daran, daß Ender da war.
»Entschuldigung, Ender«, sagte Shen.
Entschuldigung. Wofür? Daß sie Freunde waren? »Ich war auch da, wißt ihr«, sagte Ender.
Und sie entschuldigten sich noch einmal. Zurück zum Geschäft. Zurück zum Respekt. Und Ender begriff, daß es ihnen in ihrem Lachen, in ihrer Freundschaft nicht in den Sinn gekommen war, daß er mit eingeschlossen war.
Wie könnten sie auch denken, ich sei ein Teil davon? Habe ich gelacht? Habe ich mitgemacht? Nein, ich habe einfach dagestanden, zugeschaut wie ein Lehrer.
Das ist es auch, was sie von mir denken. Lehrer. Legendärer Soldat. Nicht einer von ihnen. Nicht jemand, den man umarmt und dem man »Salaam« ins Ohr flüsterte. Das hatte nur solange angehalten, wie Ender noch als ein Opfer erschien. Noch verletzlich schien. Jetzt war er der Meistersoldat, und er war völlig, endgültig allein.
Bedauere dich selbst, Ender. Er tippte die Worte auf seinem Pult, als er auf seiner Koje lag. ARMER ENDER. Dann lachte er über sich und löschte die Worte aus. Es gab keinen Jungen oder Mädchen an dieser Schule, der nicht froh gewesen wäre, mit ihm den Platz zu tauschen.
Er holte sich das Fantasy-Spiel auf den Schirm. Er spazierte, wie er es oft tat, durch das Dorf, das die Zwerge in dem Hügel des Riesenleichnams errichtet hatten. Es war so einfach, stabile Wände zu bauen, wo die Rippen sich schon richtig wölbten, gerade genug Raum für Fenster ließen. Der ganze Leichnam war in Wohnungen unterteilt, die auf den Pfad längs des Riesenrückgrats mündeten. Das öffentliche Amphitheater war in der Beckenhöhle eingelassen, und die gemeinschaftliche Ponyherde wurde zwischen den Beinen des Riesen geweidet. Ender war sich nie sicher, was die Zwerge taten, wenn sie ihren Geschäften nachgingen, aber sie ließen ihn in Ruhe, während er sich seinen Weg durch das Dorf suchte, und als Gegenleistung tat er ihnen ebenfalls kein Leid an.
Er sprang über den Beckenknochen an der unteren Begrenzung des öffentlichen Platzes und schritt durch die Weide. Die Ponys scheuten vor ihm zurück. Er verfolgte sie nicht. Ender begriff nicht mehr, wie das Spiel funktionierte. In den alten Zeiten, bevor er zum erstenmal zum Ende der Welt gelangt war, bestand alles aus Kämpfen und Rätseln, die es zu lösen galt - besiege den Feind, bevor er dich tötet, oder finde heraus, wie man an dem Hindernis vorbeikommt. Jetzt jedoch griff niemand an, es gab keinen Krieg, und wo immer er auch hinging, befand sich kein einziges Hindernis.
Außer natürlich in dem Raum in der Burg am Ende der Welt. Das war der eine gefährliche Ort, der noch übrigblieb. Und sooft Ender sich auch schwor, es nicht zu tun, er ging immer dorthin zurück, tötete immer die Schlange, sah seinem Bruder immer ins Gesicht. Und immer, egal, was er als nächstes tat, starb er.
Diesmal war es nicht anders. Er versuchte mit dem Messer auf dem Tisch durch den Mörtel zu dringen und einen Stein aus der Wand zu ziehen. Sobald er die Versiegelung des Mörtels durchbrach, begann Wasser durch den Riß hineinzuschießen, und Ender schaute seinem Pult zu, während seine Figur, jetzt außer Kontrolle, wie wild darum kämpfte, am Leben zu bleiben, sich vor dem Ertrinken zu retten. Die Fenster des Raumes waren verschwunden, das Wasser stieg, und seine Figur ertrank. Die ganze Zeit über blieb das Gesicht Peter Wiggins im Spiegel und sah ihn an.
Ich bin hier gefangen, dachte Ender, gefangen am Ende der Welt, ohne einen Ausweg. Und endlich erkannte er den sauren Geschmack, der sich bei ihm eingestellt hatte, trotz all seines Erfolges in der Schlachtenschule. Es war Verzweiflung.
An den Eingängen der Schule standen uniformierte Männer, als Valentine eintraf. Sie standen nicht wie Wachen da, sondern hingen vielmehr so herum, als warteten sie darauf, daß drinnen jemand seine Aufgabe erledigte. Sie trugen die Uniformen von I. F.-Raumsoldaten, die gleichen Umformen, die man bei
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