Das Großelternbuch
noch nicht fernsehen oder spielen darf, mit Freunden oder am PC? Sie sollten wissen, dass dem zappeligen Kind
mit Ermahnungen nicht zu helfen ist, denn es zappelt ja nicht mit Vorsatz und kann sein Verhalten nicht kontrollieren. Setzen Sie das ein, was Sie zu »bieten« haben: liebevolle Aufmerksamkeit, geduldiges Zuhören und Zureden. Auf jeden Fall sollen Sie sich nicht »schuldig« fühlen, nicht als Versager, weil Sie es nicht fertig bringen, Ihr Enkelkind bei den Hausaufgaben zu beaufsichtigen. Sie müssen das Problem des überaktiven Kindes mit den Eltern besprechen, es an sie »zurückgeben«, vielleicht finden sie mit dem Schulpsychologen oder der Erziehungsberatung eine Lösung.
Selbstständig werden
Stellen Sie sich vor, die Mutter der besten Freundin Ihres Enkelkindes Anna-Lena (11) hat vorgeschlagen, eine Radtour zu unternehmen und in Zelten zu übernachten. Die Eltern zögern mit der Einwilligung, sie denken an die Gefahren auf der Straße, an die Kälte im Zelt, das »wilde Leben« auf dem Zeltplatz, Unfälle, »schlechte Freunde«. Anna-Lena möchte gern mitfahren und hofft, dass sie bei Ihnen Unterstützung findet. Wird sie Glück haben, werden Sie den Eltern zureden, die Einwilligung zu geben?
Ist die Welt gefährlicher geworden?
Wenn Ihr Enkelkind mit einer solchen Bitte zu Ihnen kommt, können Sie stolz sein. Offenbar denkt es, dass Sie nicht so ängstlich sind wie andere Großeltern. Gewiss, ein langes Leben hat uns Ältere gelehrt, dass Gefahren überall lauern, und wir kennen genug Beispiele dafür, was alles schon passiert ist. Es ist Teil unserer Aufgabe, Erfahrungen aus der Vergangenheit an die nächste und übernächste Generation weiterzugeben. Doch vieles hat sich geändert, nicht nur zum Schlechten. Unser Umfeld ist sicherer geworden, soweit es nicht dem Verkehr ausgesetzt ist (von Gefahren abgesehen, die dem Auge nicht sichtbar sind). Deshalb
brauchen Großeltern nicht länger die Rolle der immer ängstlichen Warner zu spielen, die ihnen früher zukam.
Wie also können Sie sich verhalten, falls ein Enkelkind Ihre Unterstützung erbittet gegen seine vielleicht überängstlichen Eltern, die ihm zu wenig Spielraum lassen für das Selbstständigwerden? Wie weit müssen Sie selbst diesen Spiel- und Lernraum respektieren?
In einer Anzeige der »Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit« heißt es:
Kinder brauchen Abenteuer
• »Kinder, die sich langweilen im täglichen Trott, suchen oft Aufregung und Abwechslung in Alkohol, Tabletten und Drogen. Wer gelernt hat, Neues zu entdecken, weiß, dass es bessere Möglichkeiten für ein spannendes Leben gibt.
• Kinder suchen Abenteuer, wollen was erleben, sich spüren und erproben. Dazu brauchen sie Raum und Zeit für Spiel und Spannung. Und jemanden, der das mit ihnen teilt. Fernsehen, Kino, Videos und Computerspiele sind kein Ersatz für selbst erlebte Abenteuer.
• Es ist schwer, Kinder nach und nach aus der Fürsorge zu entlassen. Schutz und Halt zu bieten, auch wenn sie mal über die Stränge schlagen, ist eine Voraussetzung dafür. Sich Zeit nehmen für gemeinsame Abenteuer, selbst mal mitmachen, Anschluss an kreative und aktive Gruppen ermöglichen gehört dazu …
• Wir können viel dagegen tun, dass Kinder süchtig werden. Kindern Abenteuer zu ermöglichen ist ein Teil davon.«
Anna-Lenas Großeltern können mit den Eltern in diesem Sinne reden und ihnen – auf hoffentlich zurückhaltende
und überzeugende Weise – erklären, dass es für ihre Tochter wichtig und eine große Chance ist, an dem geplanten Abenteuer »Fahrradtour« teilzunehmen und zu sehen, wie viele Abenteuer das Leben bietet und wie wenig es braucht, um sie zu erleben. Anna-Lenas Eltern werden am Ende vielleicht sogar dankbar sein, dass sie so verständnisvolle, moderne Großeltern hat.
Dürfen Kinder also alles, nur damit sie genug Abenteuer erleben können? Fast scheint es so, wenn man die heutige liberale Erziehung mit der strengen von früher vergleicht. Tatsächlich aber sind die Kinder heute viel eingeschränkter, leben in einer viel stärker organisierten, eingegrenzten, beschränkten Welt, haben einfach zu wenig Freiräume, um in Ruhe eigene Erfahrungen sammeln zu können. Denken Sie doch einmal daran, was es alles nicht mehr gibt! Die Höfe und Hinterhöfe zum Beispiel, in der Stadt wie auf dem Lande, die damals unsere Spiel-und
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