Das gruene Gewissen
Bereich der Kernkraft gesprochen – nicht rückholbar sind, fordern uns daher in besonderer Weise heraus.
Bilder der Natur
Sind es also wie im ersten Satz dieses Buches behauptet vor allem Bilder der Natur, denen wir nachhängen? Romantisieren wir eine bestimmte Landwirtschaft, weil die Befassung mit dynamischen Zuständen und Bewegungen im System mehr Kraft kostet als die Auseinandersetzung mit Bekanntem? Ist es also auch eine Frage von Gewohnheit und Veränderung?
Als Friedrich der Große in der Mitte des 18. Jahrhunderts König geworden war, wurde Preußen von einer starken Hungersnot heimgesucht. Er entschloss sich unter dem Eindruck der Missernten, die bis dahin unbekannte Kartoffel einzuführen, die einen entscheidenden Vorteil besaß: Sie gedieh auch auf den minderwertigen Böden und war im Falle von Regen weniger anfällig gegen Nässe. 1745 erließ er ein Gesetz zum Anbau der Kartoffeln, das in unseren heutigen Worten eine Quotenregelung aufwies: Zehn Prozent der Ackerflächen mussten von den Bauern mit Kartoffeln bestellt werden. Friedrich setzte Kontrollen ein und scheute sich nicht, sich vor Ort selbst ein Bild von der Lage zu machen.
Der Widerstand und das Misstrauen der Bauern waren erheblich, sodass es selbst Jahrzehnte später noch keine durchschlagenden Erfolge zu verbuchen gab. Es gibt ein berühmtes Bild des Malers Robert Warthmüller aus dem Jahr 1886, das man im Deutschen Historischen Museum in Berlin sehen kann und das Friedrich auf Reisen unter dem Titel „Der König überall“ festhält. Erst neuerliche Missernten und Hungersnöte verhalfen der Kartoffel zu mehr Akzeptanz.
Über 260 Jahre nach Friedrich diskutieren wir unter dem Vorzeichen der besseren Anpassungsfähigkeit an die klimatischen Bedingungen außerhalb Deutschlands die Veränderung von Futter- und Nahrungspflanzen. Ich erinnere mich an eine Folge der ZDF-Vorabendserie Forsthaus Falkenau mit dem Titel „Für und Wider“, die auch insofern zu den Ausnahmen in einer sehr bestimmten öffentlichen Debatte zählte, als sie das Thema in einem fiktionalen Stoff behandelte. In dieser Folge ging es um die Zerstörung eines Versuchsfelds mit gentechnisch verändertem Mais unter Würdigung der Argumente der globalen Herausforderungen in einfachen Worten. 97
Versuche wie diese, entsprechende Diskurse in die Öffentlichkeit hinein zu öffnen, sind allerdings selten. Weit häufiger sind Fotos wie das des ehemaligen bayerischen Umweltministers Markus Söder, der vor einigen Transparenten mit Sätzen wie „Kein Patent auf Leben“ eine Rede hält. Im Mai 2011 ließ er sich mit Vertretern einiger bayerischer Gemeinden fotografieren, die er mit dem Logo „Gentechnikanbaufreie Kommune“ auszeichnete. 98
Solchen Missverständnissen liegt häufig die Tatsache zugrunde, dass wir die Natur schlichtweg nicht mehr kennen: auch diejenigen, die sich ihre Bewahrung auf die Fahnen geschrieben haben. Man könnte ihnen einmal auf den Zahn fühlen, beispielsweise vor einem Biomarkt in Berlin: geschäftiges Treiben; Eltern mit ihren Kindern; ein Holztisch, darauf urdeutsche Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Gerste, einige heimische Pilzsorten, die sich ähneln, Lammellenpilze wie Steinpilze, Maronen, Ziegenlippen. Und vielleicht Fischarten, allesamt aus der Region Berlin-Brandenburg, aus Havel, Spree oder dem Liepnitz-See, dem Lieblingssee der Prenzlauer Berger, wie Zander, Barsch und Hecht; Fleisch, Rind, Schwein, von der Güte, wie sie Paul Götz früher verarbeitete. Auch noch Wild, Rotwild oder Wildschwein, gezielt ohne Einschusslöcher, die, wie mir Jäger berichten, häufig abschreckten, auch wenn sie das beste Indiz dafür sind, frisches Wild vor sich zu haben (wer weiß noch, wie sich das Töten eines Tiers anfühlt?). Man bitte die Einkäufer, erfahren im Umgang mit regionalen Produkten, diese zu bestimmen. – Das Ergebnis wäre genauso ernüchternd wie bei einer ähnlichen Aktion vor einem Aldi-Markt.
Es stimmt optimistisch, dass man dem modernen Erfahrungsdilemma seitens einiger Biomärkte selbst mit Humor begegnet.Damit die Städter nicht vergessen, wie ein glückliches Rind aussieht, hat man vor den „LPG Biomarkt“ in der Kollwitzstraße in Prenzlauer Berg – Europas größtem Biomarkt, wenn man dem Eigenmarketing glauben darf – eine lebensgroße Kuhattrappe aufgestellt. Und damit auch die amerikanischen und spanischen Touristen aus den umliegenden Hostels ihr Geld hier lassen, prangt unter dem Schriftzug „LPG“ – der
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