Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
Scheißdreck, Alter, Abfall, das bin ich jetzt.«
    »Warum bist du so brutal?« sagte Iricuo. »Warum hast du sie geschlagen? Wenn sie uns erwischen, schlagen sie uns mit ihren Prügeln tot.«
    »Alles klappt, keine Zeit jetzt zum Streiten«, sagte Chango.
    »Wir verstecken uns, Iricuo, und du beeil dich, Japanerchen, du holst das Auto und bist wie der Blitz wieder da.«
    »Auf dem Friedhof?« sagte Aquilino. »Das tun Christen aber nicht.«
    »Das waren keine Christen, sondern Gauner«, sagte Fushía.
    »In den Zeitungen hat’s geheißen, sie seien auf den Friedhof gegangen, um die Gräber aufzureißen. So sind die Leute, Alter.«
    »Und du hast das Auto von dem Türken gestohlen?« sagte Aquilino. »Wieso haben sie aber die andern erwischt und dich nicht?«
    »Die sind die ganze Nacht auf dem Friedhof geblieben und haben auf mich gewartet«, sagte Fushía. »Im Morgengrauen ist die Polizei über sie hergefallen. Ich hatte Campo Grande längst hinter mir gelassen.«
    »Das heißt, du hast sie verraten, Fushía«, sagte Aquilino.
    »Hab ich vielleicht nicht alle Welt verraten?« sagte Fushía. »Was hab ich denn mit Pantacha und den Huambisas gemacht? Was hab ich mit Jum gemacht, Alter?«
    »Aber damals warst du noch kein schlechter Mensch«, sagte Aquilino. »Du selber hast mir gesagt, du seist ehrlich gewesen.«
    »Bevor ich ins Gefängnis gekommen bin«, sagte Fushía.
    »Dort hab ich aufgehört, es zu sein.«
    »Und wie bist du nach Peru gekommen?« sagte Aquilino. »Campo Grande muß doch sehr weit weg sein.«
    »Im Matto Grosso, Alter«, sagte Fushía. »Die Zeitungen haben geschrieben, der Japaner sei auf demWeg nach Bolivien. Aber so dumm war ich nicht, ich hab mich überall herumgetrieben, die meiste Zeit auf der Flucht, Aquilino. Und schließlich bin ich nach Manaos gekommen. Von da aus war’s leicht, nach Iquitos hinüberzukommen.«
    »Und dort hast du dann den Señor Julio Reátegui kennengelernt, Fushía?« sagte Aquilino.
    »Ihn selber hab ich damals noch nicht kennengelernt«, sagte Fushía, »Aber ich hab von ihm erzählen hören.«
    »Was du für ein Leben geführt hast, Fushía!« sagte Aquilino. »Du hast soviel gesehen, bist soviel gereist. Ich hör dir gern zu, du weißt nicht, wie unterhaltsam das ist. Erzählst du mir das alles nicht gern? Findest du nicht, daß die Zeit so schneller vergeht?«
    »Nein, Alter«, sagte Fushía. »Ich finde nur, daß ich friere.«
    Wenn der Wind von der Kordillere herunterkommt und über die Sandwüsten hinbläst, wird er heiß und hart: gerüstet mit Sand, folgt er dem Lauf des Flusses, und wenn er die Stadt erreicht, sieht man zwischen Himmel und Erde etwas wie einen gleißenden Panzer. Dann entlädt er seine Eingeweide: alle Tage, das ganze Jahr über, mit Beginn der Dämmerung, fällt ein trockener, ein Regen fein wie Sägemehl, der erst bei Tagesanbruch nachläßt, auf die Plätze, die Ziegeldächer, die Kirchendächer, die Glockentürme, die Balkone und die Bäume und bedeckt die Straßen Piurasmit Weiß. Die Fremden irren sich, wenn sie behaupten, » die Häuser der Stadt stehen kurz vor dem Einsturz «: das nächtliche Knirschen rührt nicht von den Bauten her, die zwar alt sind, aber robust, sondern von den unsichtbaren, unzähligen winzigen Sandgeschossen, die gegen die Türen und Fenster prallen. Sie irren sich auch, wenn sie denken: »Piura ist eine menschenscheue, traurige Stadt.« Die Leute flüchten sich in ihre Häuser, wenn der Abend hereinbricht, um dem erstickenden Wind und dem Angriff des Sandes zu entkommen, der der Haut weh tut wie Nadelstiche und sie rötet und verwundet, aber in den Slums von Castilla, den Hütten aus Lehm und Rohr in der Mangachería, in den Garküchen und Chicha-Schenken in der Gallinacera, in den Villen der Principales entlang dem Damm und an der Plaza de Armas vergnügen sie sich, wie die Leute überall woanders auch, indem sie trinken, Musik hören, sich unterhalten. Der Eindruck einer verlassenen und melancholischen Stadt wird auf der Schwelle zu ihren Häusern aufgehoben, selbst in den ärmlichsten Unterkünften, die eine hinter der andern an den Flußufern entlang, jenseits des Schlachthofs, stehen.
    Die Nacht von Piura ist voller Geschichten. Die Landleute sprechen von Gespenstern; in ihren Winkeln erzählen sich die Frauen beim Kochen Klatschgeschichten und Mißgeschicke. Die Männer trinken helle Chicha aus Stamperln, rachenputzende Gläser Zuckerrohrschnaps. Der kommt aus der Sierra undist sehr stark: den

Weitere Kostenlose Bücher