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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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del Norte‹ trinken sie dann, bis sie besoffen umfallen. »Hier ist’s nicht wie in Lima« , sagen sie, »man kann sich nirgends amüsieren; die Piuraner sind nicht schlecht, aber sooo nüchtern, überhaupt kein Nachtleben.« Sie wünschen sich Spielhöllen, in denen das satanische Feuer die ganze Nacht nicht ausgeht, sie wollen verschwenden, was sie verdient haben. Deswegen pflegen sie, wenn sie die Stadt verlassen, schlecht von ihr zu sprechen, das geht bis zur Verleumdung. Gibt es aber vielleicht gastfreundlichere und herzlichere Leute als die Piuraner? Sie empfangen die Fremden im Triumphzug, reißen sich um sie, wenn das Hotel belegt ist. Die Principales unterhalten die Viehhändler, die Baumwollmakler, jeden Staatsbeamten, der eintrifft, so gut sie nur können: veranstalten ihnen zu Ehren in den Sierras von Chulucanas Rotwildjagden, reiten mit ihnen auf den Haziendas spazieren, richten Pachamancas für sie ein. In Castilla und in der Mangachería stehen die Türen den Indios offen, die aus der Sierra auswandern und hungrig und scheu in der Stadt auftauchen, den Hexenmeistern, die draußen in den Dörfern von den Geistlichen davongejagt worden sind, den Trödlern, die kommen, um in Piura ihr Glück zu versuchen. Chicha-Verkäuferinnen, Wasserträger, Bewässerungsknechte nehmen sie auf, als gehörten sie zur Familie, teilen ihr Brot und ihre Hütten mit ihnen.Wenn sie dann abreisen, nehmen die Fremden immer Geschenke mit. Aber mit nichts sind sie zufrieden, sie hungern nach Frauen und ertragen die piuranische Nacht nicht, wo nur der Sand rege ist, der vom Himmel fällt.
    So sehr haben diese Undankbaren sich nach Weibern und nach nächtlichen Vergnügungen gesehnt, daß schließlich der Himmel ( »der Teufel, der verfluchte Gehörnte« , sagt der Padre García) Einsehen mit ihnen hatte. Und so kam es zum lauten, frivolen, nächtlichen Grünen Haus.
    Der Cabo Roberto Delgado treibt sich eine gute Weile vor dem Büro des Capitán Artemio Quiroga herum, kommt aber zu keinem Entschluß. Zwischen dem aschgrauen Himmel und der Garnison Borja ziehen langsam schwärzliche Wolken dahin, und auf der benachbarten Esplanade exerzieren die Sargentos mit den Rekruten: Stillgestanden Scheiße, Rühren Scheiße. Die Luft ist schwer von feuchtem Dunst. Na wennschon, schlimmstenfalls ein Anschiß und der Cabo stößt die Tür auf, macht die Ehrenbezeigung vor dem Capitán, der am Schreibtisch sitzt und sich mit einer Hand Luft zufächelt: was gab’s? was wollte er? und der Cabo, Urlaub, um nach Bagua zu reisen, war das möglich? Was war denn mit dem Cabo los? der Capitán fächelt jetzt wütend mit beiden Händen, was für ein Insekt hatte denn ihn gestochen? Aber den Cabo Roberto Delgado stachen keine Insekten, weil erim Urwald zu Haus war, mi capitán , aus Bagua: er wollte Urlaub, um seine Familie zu besuchen. Und da ging’s schon wieder los, der verdammte Regen. Der Capitán steht auf, schließt das Fenster, kehrt zu seinem Sessel zurück, Hände und Gesicht naß. So, ihm taten die Viecher also nichts, doch nicht etwa, weil er schlechtes Blut hatte? sie wollten sich eben nicht vergiften, darum stachen sie ihn nicht, und der Cabo nickt: schon möglich, mi capitán . Der Offizier lächelt mechanisch, und der Regen hat den Raum mit Geräuschen gefüllt: dicke Tropfen prasseln wie Kieselsteine auf das Wellblechdach, der Wind pfeift durch die Ritzen der Wand. Wann hatte der Cabo seinen letzten Urlaub gehabt? voriges Jahr? Ah, dann, das war was andres, und das Gesicht des Capitáns legt sich in Falten. Dann standen ihm drei Wochen Urlaub zu, und seine Hand zuckt hoch, nach Bagua wollte er also? dann sollte er Besorgungen für ihn erledigen, und klatscht gegen die Backe und die wird rot. Der Cabo zeigt einen sehr ernsten Gesichtsausdruck. Warum lachte er nicht? war’s etwa nicht zum Lachen, daß der Capitán sich selbst ohrfeigte? und der Cabo, nein, aber ich bitte Sie, mi capitán , wie sollte es denn. Ein joviales Funkeln entsteht in den Augen des Offiziers, besänftigt seinen säuerlich verzogenen Mund, Bürschchen: entweder er lachte schallend oder es gab keinen Urlaub. Der Cabo Roberto Delgado blickt verwirrt nach der Tür, zum Fenster. Schließlich öffnet er den Mund und lacht, zuerst unlustig und gekünstelt,danach natürlich und endlich fröhlich. Die Schnake, die den Capitán gebissen hatte, war ein Weibchen, und der Cabo schüttelt sich vor Lachen, nur die Weibchen stachen, wußte er das? die Männchen waren

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