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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Fremden tränen die Augen, wenn sie ihn das erste Mal probieren. Auf der Erde wälzen sich die Kinder herum, raufen, verstopfen die Gänge der Würmer, basteln Fallen für die Leguane oder lauschen unbeweglich, mit aufgerissenen Augen, den Geschichten der Erwachsenen: von Bandoleros, die in den Schluchten von Canchaque, Huancabamba und Ayabaca den Reisenden auflauern, um sie zu berauben und ihnen, manchmal, die Gurgel durchzuschneiden; von Herrenhäusern, wo Geister umgehen; von Wunderheilungen der Hexenmeister; von vergrabenen Silber-oder Goldschätzen, die durch Kettengerassel und Ächzen verraten, wo sie verborgen sind; von Montonera-Banden, die die Hazienda-Besitzer der Region in zwei Gruppen spalten und die Sandwüsten in allen Richtungen durchziehen, einander aufspüren und inmitten riesiger Staubwolken übereinander herfallen, die Gehöfte und Distrikte besetzen, das Vieh konfiszieren, die Männer mit dem Lasso fangen und alles mit Papierfetzen bezahlen, die sie Gutscheine des Vaterlands nennen, Montoneras, die noch die jungen Leute wie einen Reitersturm in Piura haben einziehen, ihre Zelte aufschlagen und in ihren roten und blauen Uniformen sich über die Stadt ergießen sehen; Geschichten von Herausforderungen, Ehebrüchen und Katastrophen, von Frauen, die die Jungfrau in der Kathedrale haben weinen, die Hand zum Kruzifix heben und das Jesuskind verstohlen haben lächeln sehen.
    An Sonnabenden werden, im allgemeinen, Fiestas veranstaltet. Ausgelassenheit spült dann wie eine elektrisierende Welle über die Mangachería, über Castilla, die Gallinacera, über die Hütten am Flußufer hin. In ganz Piura klingen Lieder und Pasillos auf, langsame Walzer, die Huaynos, die die serranos tanzen, indem sie mit bloßen Füßen auf den Boden stampfen, flinke Marineras oder traurige mit Fugen wie Tonderos. Wenn die Trunkenheit sich ausbreitet und das Singen aufhört, keine Hände mehr über die Saiten der Gitarre streichen, das Dröhnen der Kisten und das Schluchzen der Arpas 1 verstummt, dann tauchen aus den elenden Hüttensiedlungen, die Piura wie eine Mauer umgeben, unvermittelt Schatten auf, die dem Wind und dem Sand trotzen: junge, gegen die gute Sitte verstoßende Paare, die zu dem spärlichen Algarrobowäldchen hinausschleichen, das die Sandkuhlen verdunkelt, zu den versteckten Uferflächen am Fluß, den Grotten, die nach Catacaos schauen, die Wagemutigsten sogar bis dahin, wo die Wüste beginnt. Dort lieben sie sich.
    Im Herzen der Stadt, auf den Grundstücken, die die Plaza de Armas säumen, in den alten Häusern mit vom Kalk weißen Wänden und Balkonen mit Gitterläden, wohnen die Hazienda-Besitzer, die Kaufleute, die Advokaten, die Amtspersonen – die Principales. Nachts kommen sie in den Gärten zusammen, unter den Palmen, und sprechen über die Plagen, die dieses Jahr die Baumwollfelder und die Zuckerrohrpflanzungen bedrohen, mutmaßen, ob der Fluß rechtzeitig kommen und reichhaltig Wasser führen wird, sprechen vom Feuer, das einige Felder des Chápiro Seminario verheert hat, vom Hahnenkampf am Sonntag, von der Pachamanca 2 , die organisiert wird, um den neuen Ortsarzt, Pedro Zevallos, zu begrüßen. Während sie Rocambur, Domino oder Tresillo spielen, beten in den düsteren, mit Teppichen ausgelegten Salons, zwischen ovalen Ölgemälden, großen Spiegeln und mit Damast bespannten Möbeln die Señoras den Rosenkranz, verhandeln über zukünftige Verlobungen, planen die Empfänge und die Wohlfahrtsbälle, losen die Pflichten aus, die sie bei der Prozession übernehmen oder beim Schmücken der Altäre, bereiten die Karitas-Kirmessen vor und besprechen den Gesellschaftsklatsch in der Lokalzeitung, einem bunt gedruckten Blatt, das ›Ecos y Noticias‹ heißt.
    Fremde kennen das Innenleben der Stadt nicht. Was verabscheuen sie an Piura? Die Isoliertheit, die ausgedehnten Sandstriche, die die Stadt vom übrigen Land trennen, das Fehlen von Landstraßen, die endlosen Reisen zu Pferd in der sengenden Sonne und die Hinterhalte der Bandoleros. Sie kommen am Hotel ›La Estrella del Norte‹ an, an der Plaza de Armas, einem alten, blassen Herrenhaus, so hoch wie der laubenartige Pavillon, wo an Sonntagen die Blaskapelle spielt und in dessen Schatten sich die Bettler und die Schuhputzjungen niederlassen; und dann müssen sie ab fünf Uhr nachmittags in ihrem Zimmer eingesperrtbleiben und durch die Gardinen hinaus-und zusehen, wie der Sand von der einsamen Stadt Besitz ergreift. In der Bar des Hotels ›La Estrella

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