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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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sagen«, sagte Lituma. »Das ständige Umherziehen hört jetzt auf. Die ganze Zeit über hab ich nachgedacht und hab eingesehen, daß ich nur Pech hatte, weil ich nicht in meiner Heimat geblieben bin, so wie ihr. Das hab ich zumindest gelernt, daß ich hier sterben will.«
    »Kann sein, daß er seine Meinung ändert, wenn er erfährt, was los ist«, sagte Josefino. »Es wird ihm peinlich sein, wenn die Leute auf der Straße mit dem Finger auf ihn zeigen. Und dann geht er doch.«
    Josefino blieb stehen und holte eine Zigarette heraus. Die Leóns legten schirmend die Hände darum, damit der Wind die Flamme nicht ausblies. Dann wanderten sie langsam weiter.
    »Und wenn er nicht geht?« sagte der Affe. »Piura wird zu klein sein für euch beide, Josefino.«
    »Ich glaub kaum, daß Lituma geht; er ist als eingefleischter Piuraner zurückgekehrt«, sagte José. »Nichtwie damals, als er aus dem Urwald zurückgekehrt ist, da ist ihm alles hier auf die Nerven gefallen. In Lima ist ihm die Liebe zur Heimat aufgegangen.«
    »Chinesische Restaurants kommen nicht in Frage!« sagte Lituma. »Ich möchte piuranische Gerichte. Ein gutes Geschmortes, einen Piqueo und Unmengen Chicha.«
    »Dann gehen wir halt zu Angélica Mercedes, Vetter«, sagte der Affe. »Sie ist nach wie vor die Königin unter den Köchinnen. Du kannst dich doch noch an sie erinnern, oder?«
    »Lieber nach Catacaos, Vetter«, sagte José. »Zum ›Carro Hundido‹, da gibt’s den besten Clarito, den ich kenne.«
    »Wie glücklich ihr seid, daß Lituma gekommen ist«, sagte Josefino. »Macht den Eindruck, als wärt ihr in Fiesta-Stimmung, ihr zwei.«
    »Er ist schließlich unser Vetter, Unbezwingbarer«, sagte der Affe. »Es freut einen doch, wenn man jemand von der Familie wiedersieht.«
    »Irgendwo müssen wir hingehen mit ihm«, sagte Josefino. »Ihn ein wenig in Stimmung bringen, bevor wir mit ihm reden.«
    »Zu Doña Angélica gehen wir morgen«, sagte Lituma. »Oder nach Catacaos, wenn ihr das vorzieht. Aber heute weiß ich schon, wo wir meine Rückkehr feiern, den Gefallen müßt ihr mir tun.«
    »Scheiße: Wohin will er denn?« fragte Josefino. »In die ›Reina‹, die ›Tres Estrellas‹?«
    »Zur Chunga chunguita«, sagte Lituma.
    »So was!« sagte der Affe. »Zum Grünen Haus, ausgerechnet! Hast du Worte, Unbezwingbarer?«

II
    »Du bist der Teufel in Person!« sagte Madre Angélica und beugte sich über Bonifacia, die auf dem Boden lag wie ein kompaktes, dunkles kleines Raubtier. »Eine undankbare Schurkin.«
    »Undankbarkeit ist das schlimmste, Bonifacia«, sagte die Oberin langsam. »Sogar Tiere sind dankbar. Hast du nie die Äffchen gesehen, wenn man ihnen ein paar Bananen hinwirft?«
    Die Gesichter, die Hände, die Schleier der Nonnen schienen im Halbschatten der Vorratskammer zu phosphoreszieren; Bonifacia rührte sich nicht.
    »Eines Tages wirst du einsehen, was du angestellt hast, und wirst es bereuen«, sagte Madre Angélica. »Und wenn du nicht bereust, kommst du in die Hölle, widernatürliches Geschöpf.«
    Die Mündel schlafen in einem langen, engen Raum, tief wie ein Brunnen; in den kahlen Wänden sind drei Fenster, die auf den Nieva blicken, die einzige Tür führt auf den weiten Patio der Mission. Auf dem Boden, gegen die Wand gelehnt, stehen die kleinen Faltbetten mit Segeltuchbezug; beim Aufstehen klappen die Mädchen sie zusammen, für die Nacht klappen sie sie auseinander und stellen sie auf. Bonifacia schläft auf einer Holzpritsche jenseits der Tür, in einem Zimmerchen,das wie ein Sperrblock zwischen dem Schlafsaal der Mündel und dem Patio eingelassen ist. Über dem Bett hängt ein Kruzifix, und daneben steht ein großer Koffer. Die Zellen der Nonnen sind am andern Ende des Patios, im Wohnhaus: ein weißes Gebäude mit Giebeldach, vielen symmetrischen Fenstern und einem massiven Umlaufbalkon aus Holz. Neben dem Wohnhaus sind das Refektorium und der Arbeitssaal, wo die Mädchen wie Christenmenschen sprechen, buchstabieren, addieren, nähen und sticken lernen. Der Religions-und Moralunterricht wird in der Kapelle gegeben. In einer Ecke des Patios befindet sich ein hangarähnlicher Schuppen, der an den Obstgarten der Mission grenzt; sein hoher rötlicher Kamin hebt sich von den vordringenden Zweigen des Urwalds ab: es ist die Küche.
    »So klein warst du noch, aber man hat schon erraten können, wie du einmal sein würdest.« Die Hand der Oberin schwebte einen halben Meter über dem Boden. »Du weißt doch, wovon ich rede, nicht

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