Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Lalita.
»Sagt, daß ich hier sterben werd’, als Dienstmädchen für die Nonnen. Schick mir nichts. Dir wird’s dort fehlen, in der Stadt braucht man viel Geld.«
Gestattete er, Cholo? Der Sargento nickte, und der Teniente umarmte Bonifacia, die hastig mit den Wimpern zuckte und wie verblüfft den Kopf bewegte, aber ihre Lippen und ihre Augen, wenn auch feucht, lächelten noch, hartnäckig, Señora: jetzt war die Reihe anihnen. Erst umarmte sie der Fette, und der Dunkle, caramba , der brauchte aber lang dazu, und er, mi sargento , denken Sie sich nichts dabei, war eine freundschaftliche Umarmung, dann der Blonde, der Knirps. Der Lotse Pintado hatte die Taue losgemacht und hielt, über die Stake gebeugt, das Motorboot dicht beim Steg. Der Sargento und Bonifacia stiegen ein, machten es sich zwischen den Gepäckstücken bequem, Pintado hob die Stake hoch, und die Strömung bemächtigte sich des Schiffes, begann es auf und nieder zu schaukeln, es gemächlich mit sich zu führen in Richtung Marañón.
»Du mußt ihn besuchen«, sagte Bonifacia. »Ich schick dir was, auch wenn du’s nicht willst. Und wenn er rauskommt, geht ihr nach Piura, ich helf euch dann, so wie ihr mir geholfen habt. Dort kennt niemand Don Adrián, und er wird arbeiten können, wo er will.«
»Du wirst ein anderes Gesicht machen, wenn du erst einmal Piura siehst, Schatz«, sagte der Sargento.
Bonifacia ließ eine Hand aus dem Boot hängen, die Finger berührten das trübe Wasser und hinterließen gerade, kurzlebige Rinnen, die in dem schaumigen Gebrodel verschwanden, das die Schraube immerzu aussäte. Mitunter konnte man unter der dunklen Oberfläche des Flusses einen kleinen und flinken Fisch wahrnehmen. Über ihnen war der klare Himmel, aber in der Ferne, über der Kordillere, schwebten dicke Wolken, die von der Sonne wie mit einem Küchenmesser zerteilt wurden.
»Bist du nur wegen der Madres traurig?« sagte der Sargento.
»Auch wegen Lalita«, sagte Bonifacia. »Ich muß die ganze Zeit an Madre Angélica denken. Gestern abend hat sie sich an mich gehängt, hat mich nicht loslassen wollen, und kein Wort hat sie hervorgebracht, so traurig war sie.«
»Die Nönnchen sind hochanständig gewesen«, sagte der Sargento. »Was sie dir alles geschenkt haben!«
»Kommen wir wieder mal zurück?« sagte Bonifacia. »Ein einziges Mal nur, als Ausflug?«
»Wer weiß?« sagte der Sargento. »Aber es ist ein bißchen zu weit, um einen Ausflug bis hierher zu machen.«
»Wein nicht«, sagte Bonifacia. »Ich schreib dir und erzähl dir alles, was ich mach.«
»Seit ich aus Iquitos weg bin, hab ich keine Freundinnen gehabt«, sagte Lalita. »Seit ich ein junges Mädchen war. Auf der Insel, die Achuales, die Huambisas, die haben fast kein Spanisch gesprochen, und wir haben uns nicht verstanden, außer in bestimmten Dingen. Du bist meine beste Freundin gewesen.«
»Und du die meine«, sagte Bonifacia. »Mehr als eine Freundin, Lalita. Dich und Madre Angélica, euch hab ich hier am meisten lieb. Komm, wein doch nicht.«
»Wo warst du denn so lang, Aquilino?« sagte Fushía. »Wo warst du so lang, Alter?«
»Hab nicht schneller kommen können, Mensch,beruhig dich«, sagte Aquilino. »Der Kerl hat mir ein Loch in den Bauch gefragt, meinte, daß die Nonnen und daß der Arzt, und ich hab ihn nicht überzeugen können. Aber schließlich hab ich ihn doch überzeugt, Fushía, alles ist vorbereitet.«
»Die Nonnen?« sagte Fushía. »Leben da auch Nonnen?«
»Als Krankenschwestern, pflegen die Leute«, sagte Aquilino.
»Bring mich woanders hin, Aquilino«, sagte Fushía, »laß mich nicht in San Pablo, ich will nicht da sterben.«
»Der Kerl hat das ganze Geld behalten, hat mir aber eine Menge dafür versprochen«, sagte Aquilino. »Wird die Papiere besorgen, wird alles in Ordnung bringen, damit niemand erfährt, wer du bist.«
»Hast du ihm alles gegeben, was ich die ganzen Jahre über zusammengebracht hab?« sagte Fushía. »Dafür all die Opfer, der ganze Kampf? Damit ein hergelaufener Kerl alles einsteckt?«
»Hab immer höher gehen müssen«, sagte Aquilino. »Erst fünfhundert, aber nein, dann tausend, nichts zu machen, dachte gar nicht daran, hat gesagt, das Gefängnis sei teurer. Hat mir auch versprochen, daß er dir besseres Essen, bessere Medikamente besorgen wird. Was bleibt uns schon übrig, Fushía, wenn er nicht akzeptiert hätte, wär’s schlimmer gewesen.«
Es regnete in Strömen, und der Alte, durchnäßt bis auf die Knochen, über
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