Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
besser?«
»Gib mir noch ein bißchen, Alter«, sagte Fushía. »Ist noch was übrig?«
»Iß meines, ich mag nichts mehr«, sagte Aquilino. »Mir schmeckt’s auch. Darin bin ich wie ein Huambisa, jeden Morgen, wenn ich aufstehe, zerquetsch ich ein paar Bananen und koch sie.«
»Mir wird sie mehr fehlen als Campo Grande, mehr als Iquitos«, sagte Fushía. »Ich glaube, die Insel war die einzige Heimat, die ich gehabt hab. Sogar die Huambisas werd ich vermissen.«
»Alle werden dir fehlen, bloß dein Sohn nicht«, sagte Aquilino. »Der ist der einzige, von dem du nicht redest. Ist es dir gleichgültig, daß Lalita ihn mitgenommen hat?«
»Vielleicht war’s gar nicht mein Sohn«, sagte Fushía. »Vielleicht hat das Mistvieh . . .«
»Halt den Mund, ich kenn dich seit Jahren, mir machst du so leicht nichts vor«, sagte Aquilino. »Sagdie Wahrheit: wird es besser oder ist es schlimmer geworden?«
»Red nicht in diesem Ton mit mir«, sagte Fushía. »Das erlaub ich dir nicht, Scheiße.«
Aber seine Worte klangen wenig überzeugend und erstickten in einem Schluchzen. Aquilino erhob sich aus der Hängematte, ging zu Fushía, und er zog die Decken über das Gesicht: er war ein furchtsames und formloses Häufchen.
»Brauchst dich doch vor mir nicht zu schämen, Mensch«, flüsterte der Alte. »Laß mich sehen.«
Fushía antwortete nicht, und Aquilino packte einen Zipfel der Decke und hob sie hoch. Fushía hatte keine Stiefel an, und der Alte starrte, die Hand wie eine Klaue in die Decke verkrallt, die Stirn zerfurcht von Falten, mit offenem Mund.
»So leid’s mir tut, aber es ist soweit, Fushía«, sagte Aquilino. »Wir müssen uns aufmachen.«
»Ein bißchen noch, Alter«, stöhnte Fushía. »Wart, steck mir eine Zigarette an, die rauch ich, und dann bringst du mich zu dem Kerl. Nur zehn Minuten, Aquilino.«
»Aber rauch sie schnell«, sagte der Alte. »Der Kerl wartet sicherlich schon.«
»Schau dir nur gleich alles an«, stöhnte Fushía unter der Decke hervor. »Ich kann mich selber nicht dran gewöhnen, Alter. Schau weiter oben.«
Er winkelte die Beine ab, und als er sie streckte, fielen die Decken zu Boden. Jetzt konnte Aquilino auchdie glasigen Oberschenkel sehen, die Leisten, die kahlen Geschlechtsorgane, den kleinen Haken aus Fleisch, der einst der Penis gewesen war, und der Bauch: da war die Haut noch intakt. Der Alte bückte sich hastig, hob die Decken auf und legte sie über die Hängematte.
»Siehst du? Siehst du?« schluchzte Fushía. »Siehst du, ich bin nicht einmal mehr ein Mann, Aquilino.«
»Er hat mir auch versprochen, daß er die Zigaretten bringt, wenn du welche willst«, sagte Aquilino. »Merk dir das: wenn du Lust hast zu rauchen, verlang welche von ihm.«
»Am liebsten würde ich auf der Stelle sterben«, sagte Fushía, »ohne es zu merken, ganz plötzlich. Du könntest mich in eine Decke wickeln und an einen Baum hängen, wie einen Huambisa. Nur daß um mich keiner weinen würde. Warum lachst du?«
»Weil du nur so tust, als rauchst du, nur damit die Zigarette länger dauert und wir die Zeit verpassen«, sagte Aquilino. »Mensch, wo wir doch auf alle Fälle hingehen, da machen zwei Minuten mehr oder weniger doch nichts aus.«
»Wie soll ich denn bis dahin kommen, Aquilino?« sagte Fushía. »Das ist zu weit.«
»Es ist besser, du stirbst dort als hier«, sagte der Alte. »Dort pflegen sie dich, und die Krankheit wird nicht mehr höher steigen. Ich kenn da jemand, mit dem Geld, das du hast, wird er dich ohne Papiere oder sonst was annehmen.«
»Wir kommen nie hin, Alter, sie werden mich auf dem Fluß erwischen.«
»Ich versprech dir, daß wir hinkommen«, sagte Aquilino. »Auch wenn wir nur nachts unterwegs sein können und immer am Ufer entlang. Aber wir müssen heute noch aufbrechen, ohne daß uns Pantacha sieht, auch die Heiden nicht. Niemand darf’s wissen, das ist die einzige Möglichkeit, daß du dort sicher bist.«
»Aber die Polizei, die Soldaten, Alter«, sagte Fushía. »Verstehst du denn nicht, die suchen mich doch alle. Ich kann hier nicht weg. Es gibt viele Leute, die wollen sich an mir rächen.«
»San Pablo ist ein Ort, wo sie dich nie suchen werden«, sagte der Alte. »Selbst wenn sie wüßten, daß du dort bist, würden sie nicht hinkommen. Aber es wird niemand wissen.«
»Alter, Alter«, schluchzte Fushía. »Du bist ein guter Mensch, ich bitt dich, glaubst du an Gott? Tu’s Gott zuliebe, Aquilino, versuch doch, mich zu verstehen.«
»Aber ich versteh
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