Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
dich doch, Fushía«, sagte der Alte und stand auf. »Aber es ist schon längst dunkel, ich muß dich jetzt hinbringen, sonst geht dem Kerl das Warten auf die Nerven.«
Wieder ist es Nacht, der Boden ist weich, die Füße sinken ein bis zu den Knöcheln, und immer sind es dieselben Stellen: das Ufer, der Pfad, der schmaler wird zwischen den Feldern, ein kleines Algarrobowäldchen,die Sandfläche. Du, hier vorbei, Toñita, ja nie da drüben, werden sich doch nicht von Castilla aus sehen lassen. Der Sand regnet unbarmherzig, deck sie mit der Decke zu, setz ihr deinen Hut auf, soll ihr Köpfchen gesenkt halten, wenn sie nicht will, daß ihr das Gesicht brennt. Die gleichen Geräusche: das Gemurmel des Windes in den Baumwollfeldern, Gitarrenmusik, Singen, Händeklatschen im Takt und, im Morgengrauen, das tiefe Brüllen des Viehs. Du, komm, Toñita, hier wollen wir uns hinsetzen, jetzt werdet ihr ein Weilchen ausruhen und dann den Spaziergang fortsetzen. Dieselben Bilder: eine schwarze Kuppel, Sterne, die blinken, starr glänzen oder verlöschen, die Wüste aus blauen Falten und Dünen, und in der Ferne, ragend, einsam, das Haus, seine bleichen Lichter, Schatten, die herauskommen, Schatten, die hineingehen, und manchmal, frühmorgens, ein Reiter, ein paar Peone, eine Herde von Ziegen, das Floß von Carlos Roja und, am anderen Ufer des Flusses, die grauen Türen des Schlachthauses. Erzähl ihr was vom Morgengrauen, du, hörst du mich, Toñita? hast du geschlafen? wie man die Kirchtürme sehen kann, die Dächer, die Balkone, ob’s regnen wird und dunstig ist. Frag sie, ob ihr kalt ist, ob sie zurück will, hüll ihre Beine ein mit deiner Jacke, soll sich an deine Schulter lehnen. Und dann, wiederum, der unerwartete Aufruhr, der seltsame Galopp jener Nacht, das Aufbäumen ihres Körpers. Steh auf, schau, wer rast da? ein Wettrennen? Chápiro, Don Eusebio, die Temple-Zwillinge? Du,komm, verstecken wir uns, komm, ducken wir uns, rühr dich nicht, hab keine Angst, sind zwei Pferde, und dann, in der Dunkelheit, wer, warum, wie? Du, sind nah an uns vorbei und auf wilden Pferden, so was von verrückt, reiten bis zum Fluß, jetzt kommen sie zurück, hab keine Angst, Kleine, und dann ihr Gesicht, dreht sich hin und her, fragend, ihre Besorgnis, das Beben ihres Mundes, ihre Fingernägel wie Krallen und ihre Hand warum, wie, und ihr Atem nahe an deinem. Jetzt beruhig sie, du, ich werd’s dir erklären, Toñita, sind schon weg, sind so schnell vorbei, hab die Gesichter nicht gesehen, und sie, hartnäckig, gierig, forscht in der Finsternis wer, warum, wie. Du, reg dich nicht so auf, wer wird’s schon sein, ist doch egal, Dummchen. Ein Trick, um sie abzulenken: schlüpf unter die Decke, versteck dich, laß dich zudecken, da kommen sie, ein ganzer Haufen, wenn sie uns sehen, bringen sie uns um, fühl ihre Angst, ihren Zorn, ihren Horror, soll sich an dich drängen, dich umarmen, sich an dir bergen, komm, Toñita, drück dich noch dichter an mich, und sag ihr jetzt, ist gar nicht wahr, da kommt niemand, gib mir einen Kuß, hab dich angeführt, Kleine. Und heute red nicht mit ihr, hör sie an deiner Seite, ihre Gestalt ist ein Schiff, die Sandwüste ein Meer, sie segelt, gleitet ruhig um Hügel und Büsche, unterbrich sie nicht, tritt nicht auf den Schatten, den sie wirft. Steck eine Zigarette an und rauch und denk, daß du glücklich bist und daß du alles dafür gäbst zu wissen, ob auch sie glücklichist. Red mit ihr und scherz, ich rauch gerad, wirst’s ihr beibringen, wenn sie groß ist, kleine Mädchen rauchen nicht, würde husten müssen, lach, sie soll lachen, bitt sie, du, sei doch nicht immer so ernst, Toñita, um alles in der Welt. Und dann, wiederum, die Ungewißheit, die Säure, die das Leben ätzt, du, ich weiß schon, langweilt sich so sehr, immer dieselben Stimmen, das Eingesperrtsein, aber warte, nicht mehr lange, dann werdet ihr nach Lima reisen, ein Haus für euch beide allein, werdet nicht mehr euch verstecken müssen, wirst ihr alles kaufen, wirst sehen, Toñita, wirst schon sehen. Fühl wieder die Bitterkeit, du, nie bist du wütend, Kleine, wär sie doch anders, wenn sie nur einmal wütend würde, etwas zertrümmerte, laut schreiend weinte und da, abwesend, immer gleich, der Ausdruck ihres Gesichts, das sanfte Pulsieren ihrer Schläfen, ihre halbgeschlossenen Lider, das Geheimnis ihrer Lippen. Jetzt nur noch Erinnerungen und ein wenig Melancholie, du, deswegen verwöhnen sie dich so sehr, wie sie sich benommen
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