Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
haben, nichts gesagt, bringen dir Süßigkeiten, ziehen dich an, kämmen dich, sind wie ausgewechselt, untereinander streiten sie so oft, und was sie einander alles antun, mit dir so gütig und hilfsbereit. Sag zu ihnen, ich hab sie mir mitgebracht, hab sie entführt, du liebst sie, wird mit dir zusammenleben, sie müssen dir helfen, und dann, wiederum, ihre Aufregung, ihre Beteuerungen, wir schwören Ihnen, wir versprechen, werden Ihr Vertrauen nicht enttäuschen, ihr Getuschel, ihr Herumflattern, schau siean, gerührt, neugierig, heiter, ahn ihren unbändigen Wunsch, in den Turm hinaufzuklettern, sie zu sehen und zu reden mit ihr. Und wieder sie, und du, alle mögen dich, weil du jung bist? weil du nicht sprechen kannst? weil du ihnen leid tust? Und dann, jene Nacht: Der Fluß rollt dunkel dahin und in der Stadt ist nirgends mehr Licht, der Mond erhellt nur knapp noch die Wüste, die Saatfelder sind undeutliche Flecke und sie ist weit weg und schutzlos. Ruf sie, frag sie, Toñita, hörst du mich? was hast du? warum zerrt sie so an deiner Hand, ob sie erschrocken ist vom Sand, der so scharf herunterfällt? Du, komm, Toñita, hüll dich fest ein, gleich ist’s vorbei, glaubst du, daß er uns eindeckt, daß er uns lebendig begräbt? weswegen zitterst du, fehlt dir denn was, kriegst du keine Luft? willst du zurück? schnauf doch nicht so. Und du, hast’s nicht gemerkt, du, bin ja so blöd, wie schrecklich, nicht zu begreifen, Kleine, nie zu wissen, was los ist mit dir, wie es erraten. Und dann, wiederum, das Herz läuft dir fast über, und die Fragen, wie sprühende Funken, wie stellst du dir vor, daß ich bin, wie sind die Frauen, und die Gesichter, und die Erde, auf der du gehst, woher kommt das, was du hörst, wie bist du, was bedeuten diese Stimmen, glaubst du, daß alle so sind wie du? daß wir hören und nicht darauf antworten? daß jemand uns das Essen bringt, uns zu Bett bringt und uns hilft, die Treppe hinaufzugehen? Toñita, Toñita, was empfindest du für mich? weißt du, was die Liebe ist? warum küßt du mich? Nimm dich jetztzusammen, steck sie nicht mit deiner Verzweiflung an, senk die Stimme und sag ihr leise, macht nichts, meine Gefühle sind deine Gefühle, du willst leiden, wenn sie leidet. Soll diese Geräusche vergessen, du nie mehr wieder, Toñita, bin unruhig geworden, erzähl ihr von der Stadt, von der armen Alten aus der Gallinacera, die vor Schmerz weint, vom Esel und den Körben, und was die Leute sagen in der ›Estrella del Norte‹, du, alle fragen, Toñita, suchen dich, trauern, die Ärmste, ob sie ermordet worden ist? hat sie ein Fremder geraubt? was sie erfinden, ihre Lügen, ihr Flüstern. Frag sie, ob sie sich erinnert, würde sie gern mal zurückgehen zur Plaza? sich neben dem Pavillon sonnen? ob die Gallinaza ihr fehlt, du, möchtest du sie gern wiedersehen? nehmen wir sie mit nach Lima? Aber sie kann nicht oder will nicht hören, etwas isoliert sie, quält sie, und dann, immer wieder ihre Hand, das Zittern, ihr Entsetzen, du, was hast du denn? tut dir was weh? soll ich dich massieren? Tu ihr den Gefallen, berühr, worauf sie deutet, drück aber nicht zu fest, streich über ihren Bauch, liebkose dieselbe Stelle, zehnmal, hundertmal, und unterdessen, ich weiß schon, tut weh, den Magen verdorben, willst du Klein machen? hilf ihr, Groß? soll in die Hocke gehen, soll sich nicht kümmern, du wirst dich davorstellen, entfalte die Decke, fang den Regen über ihrem Kopf auf, damit der Sand sie nicht belästigt. Aber es ist umsonst, und ihre Wangen sind jetzt feucht, die Erregung ihres Körpers ist gewachsen, ihr Gesichtverzerrt sich, und wissen, daß sie weint, und keine Ahnung haben ist fürchterlich, Toñita, was kannst du nur tun, was will sie denn von dir. Trag sie in deinen Armen, renne, küß sie doch, du, gleich sind wir da, ist schon ganz nahe, sie wird einen Mate trinken, wirst sie zu Bett bringen, und morgen wacht sie gesund wieder auf, und soll nicht weinen, lieber Gott, sie soll nicht weinen. Ruf die Angélica Mercedes, soll sie heilen, eine Kolik, Patrón, du, heißen Tee? Schröpfköpfe? sie, nein ist nichts Ernstes, Sie brauchen keine Angst zu haben, du, Yerbaluisa? Kamillentee? und ihre Hand, tastend, wärmend, dieselbe Stelle liebkosend, und wie blöd, wie blöd, du bist nicht darauf gekommen. Und dann, die Frauen, ihr Entzücken, ihre Körper, die sich drängen im Turm, ihre Gerüche, Schminke, Puder und Vaseline, ihr Gequietsche und Gehopse, der Patrón hat’s nicht
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