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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Augen, die Eingeborenensprache, stotterte sie, das eine oder andere Wort vielleicht, vom vielen Hören, verstand er, was sie meinte? Aber damit er nicht glaubte: dort gab’s auch Weiße, viele, und die Eingeborenen sieht man nur wenig, denn die leben im Dschungel.
    »Und wie bist du dem in die Hände gefallen?« sagte die Chunga. »Was hast du nur an diesem armen Teufel, dem Josefino, gefunden?«
    »Das ist doch egal, Chunga«, sagte der Jüngling. »Das ist die Liebe, und die Liebe versteht keine Vernunft. Will keine Fragen hören, noch gibt sie Antwort, wie ein Dichter gesagt hat.«
    »Keine Angst«, lachte die Chunga. »Hab nur so gefragt, aus Spaß. Wie die andern Leute leben, ist mir völlig schnuppe, Selvática.«
    »Was haben Sie denn, Maestro? Warum sind Sie so nachdenklich?« sagte der Bulle. »Ihre Milch wird kalt.«
    »Ihre auch, Señorita«, sagte der Jüngling. »Trinken Sie sie aus. Wollen Sie noch Brot?«
    »Wie lang wirst du die Insassinnen eigentlich noch siezen?« sagte der Bulle. »Du bist komisch, Jüngling.«
    »Ich behandle alle Frauen gleich«, sagte der Jüngling. »Ob sie hier arbeiten oder Nonnen sind, für mich gibt’s keinen Unterschied, ich respektiere sie alle gleich.«
    »Und warum beleidigst du sie dann alle so, in deinen Liedern?« sagte die Chunga. »Man könnte meinen, du seist ein schwuler Komponist.«
    »Ich beleidige sie nicht, sing ihnen nur die Wahrheit vor«, sagte der Jüngling. Und lächelte, zaghaft, und stieß einen letzten, weißen und perfekten Rauchring aus.
    Die Selvática stand auf, Señora, sie war sehr schläfrig, sie ging jetzt, und vielen Dank fürs Frühstück, aber der Arpista sprang auf, packte sie am Arm, Mädchen, sollte doch warten. Ging sie zum Unbezwingbaren, da bei der Plaza Merino? Sie brachten sie hin, und der Bulle sollte ein Taxi suchen, er war auch müde. Der Bulle erhob sich, ging auf die Straße hinaus und ein Sog frischer Luft strömte auf den Tisch zu,als die Tür zufiel: die Barriada lag noch immer im Dunkeln. Hatten sie gemerkt, wie launisch der Himmel in Piura war? Gestern um diese Zeit hatte die Sonne hoch gestanden und gebrannt, kein Sand war gefallen, und die Hütten hatten ausgesehen wie frisch gewaschen. Und heute wollte die schlaffe Nacht nicht schwinden, was passierte wohl, wenn sie für immer dabliebe, und der Jüngling deutete mit der Hand auf das kleine Stückchen Himmel, das sich im Fenster abzeichnete: er, was ihn anging, er hätte nichts dagegen, aber vielen andern würde das nicht passen. Die Chunga legte den Zeigefinger an die Stirn: Sorgen hatte der! So was von närrisch. Sechs Uhr? die Selvática schlug die Beine übereinander und stützte die Ellbogen auf den Tisch, in der Selva war sie immer früh aufgestanden, um diese Zeit waren da längst alle auf den Beinen, und der Arpista, ja, ja, der Himmel wurde da rosig, grün, blau, alle Farben, und die Chunga, was? und der Jüngling, was, Maestro? er kannte die Selva? Nein, das fiel ihm nur so ein, und wenn noch Milch in der Kanne war, die käme ihm gerade recht. Die Selvática schenkte ihm ein und löffelte Zucker in die Tasse, die Chunga blickte den Arpista mißtrauisch an und ihr Gesichtsausdruck war jetzt finster. Der Jüngling steckte sich noch eine Zigarette an, und wieder quollen aus seinem Mund graue, durchsichtige, ephemere, flüchtige Ringe, schwebten auf das schwarze, kleine Rechteck des Fensters zu, holten einander auf halbem Weg ein, und ihm ging’s da ganz anders als den Leuten,was das Tageslicht anlangte, und durchdrangen einander und waren wie Wölkchen, andere Leute fühlten sich glücklich und optimistisch bei Sonnenschein, und die Nacht machte sie traurig, und endlich wurden sie so dünn, daß sie unsichtbar waren, und er dagegen war tagsüber bitter, und seine Stimmung besserte sich erst, wenn’s dunkel wurde. Das ist, weil sie Nachtwesen waren, Jüngling, wie die Füchse und die Eulen: die Chunguita, der Bulle, er und jetzt auch sie, Mädchen, und eine Tür knallte. Auf der Schwelle stand der Bulle und hielt Josefino am Gürtel fest, sie sollten mal sehen, wen er da gefunden hatte, die Selvática stand auf, vor sich hinquasselnd, auf der Straße.
    »Du führst ja ein lustiges Leben, Josefino«, sagte die Chunga. »Du kannst ja nicht einmal mehr stehen.«
    »Guten Tag, Junge«, sagte der Arpista. »Wir dachten schon, du würdest sie gar nicht mehr abholen. Wollten sie schon mitnehmen.«
    »Reden Sie nicht mit ihm, Maestro«, sagte der Jüngling. »Der

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