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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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gemerkt, so einfältig, wie ein Bub. Schau sie an, einander über die Schulter guckend, sieh nur, sie umringen sie, feiern sie und machen ihr Komplimente. Laß sie, sollen sie unterhalten, und geh hinunter ins Lokal, mach eine Flasche auf, wirf dich in einen Sessel, proste dir zu, hör das wirre aufgeregte Durcheinander, schließ die Augen und versuch zu lauschen; mindestens im zweiten, der Schmetterling drei, das Glühwürmchen vier und Mensch so unschuldig, warum haben Sie geglaubt, Patrón, daß sie nicht geblutet hat? wie lange schon nicht mehr, Patrón? dann wissen wir’s ganz genau. Fühl den Alkohol, seinen Stimulus, der die Beine schwächt, unddie Gewissensbisse, wie die Unruhe nachläßt, und du, hab’s nie gezählt. Was hat’s dir bedeutet, was bedeutet’s, ob es morgen oder in acht Monaten auf die Welt kommt, die Toñita wird dick werden, und danach wird sie glücklich sein. Knie dich an ihr Bett, du, es war nichts, wir wollen’s feiern, du wirst ihn verwöhnen, ihm die Windeln wechseln, und wenn’s ein Mädchen ist, soll’s ihr ähnlich sehen. Und sie sollen zu Don Eusebio gehen, gleich morgen, für sie kaufen, was sie braucht, und die Verkäufer werden bestimmt lachen, wer wirft denn? und der Vater? und wenn’s ein Bübchen ist, soll es Anselmo heißen. Geh in die Gallinacera, zu den Schreinern, sollen Bretter, Nägel und Hämmer bringen, sollen ein Kinderzimmer bauen, erzähl irgendeine Geschichte, Toñita, Toñita, hab Gelüste, übergib dich, sei schlechter Laune, sei wie die andern, kannst du’s spüren? bewegt sich’s schon? Und frag dich ein letztes Mal, ob’s besser war oder schlimmer, ob das Leben so sein muß, und was geworden wär, wenn sie nicht, wenn du und sie, ob’s ein Traum war oder ob die Dinge immer verschieden sind von den Träumen, und jetzt noch eine allerletzte Anstrengung, und frag dich, ob du dich irgendwann mal damit abgefunden hast, und ob’s ist, weil sie gestorben ist oder weil du alt bist, daß dir der Gedanke gar nichts ausmacht, selber zu sterben.
    »Willst du auf ihn warten, Selvática?« fragte die Chunga. »Vielleicht treibt er sich mit einer anderen Frau rum.«
    »Wer ist’s?« sagte der Arpista, seine weißen Augen auf die Treppe gerichtet. »Sandra?«
    »Nein, Maestro«, sagte der Bulle. »Die, die vorgestern angefangen hat.«
    »Er wollte mich abholen kommen, Señora, aber vielleicht hat er’s vergessen«, sagte die Selvática. »Ich werd einfach gehen.«
    »Jetzt frühstück erst mal, Mädchen«, sagte der Arpista. »Komm, Chunguita, lad sie ein.«
    »Freilich, komm, hol dir eine Tasse«, sagte die Chunga. »In der Kanne ist warme Milch.«
    Die Musikanten frühstückten an einem Tisch nahe bei der Theke, im Licht der violetten Birne, der einzigen, die noch brannte. Die Selvática setzte sich zwischen den Bullen und den Jüngling Alejandro: bisher hatte man fast noch nicht einmal ihre Stimme gehört, wie still sie war; waren in ihrem Dorf alle Frauen so? Durch die Fenster sah man die Barriada, im Dunkeln, und oben drei schwache Sterne, die drei Mannweiber? Nein, Señora, da schwätzten sie vielmehr ununterbrochen, waren wie Papageien. Der Arpista kaute an einer Schnitte Brot, Papageien? und sie, ja, ein Vogel, den’s in ihrem Dorf gab, und er hörte zu kauen auf, wieso? Mädchen, war sie nicht in Piura geboren? Nein, Señor, sie war von weit weg, aus der Montaña. Sie wußte nicht, in welcher Gegend sie geboren war, hatte aber immer in einem Ort gelebt, der Santa María de Nieva hieß. Ganz klein, Señor, ohne Autos, ohne Gebäude, auch keine Kinos wie in Piura, verstander? Der Arpista kaute weiter, aus der Montaña? Papageien? den Kopf erhoben, überrascht, und auf einmal setzte er hastig die Brille auf, Mädchen: hatte ganz vergessen, daß es so was gab. An welchem Fluß lag denn Santa María de Nieva? in der Nähe von Iquitos? Weit weg? die Montaña, wie seltsam. Identisch und kontinuierlich, so wie sie aus dem Mund des Jünglings kamen, wuchsen die Rauchringe, verloren ihre Form, zerflatterten über der Tanzfläche. Er hätte auch gern mal die Amazonasgegend kennengelernt, die Musik der Eingeborenen gehört. Glich der criolla -Musik gar nicht, oder? Gar nicht, Señor, die von dort sangen wenig, und ihre Lieder waren nicht so fröhlich wie die Marinera oder der Walzer, eher traurige Musik. Und wie lauteten denn die Texte ihrer Lieder? Sehr poetisch? Denn sie verstand doch sicher deren Sprache, nicht? Nein, die sprach sie nicht, und sie senkte die

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