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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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eben schon alt, Mensch.«
    »Und dabei scheint heute die Sonne nicht«, sagt Fushía. »Wenn sie scheint und wir gehen an den Strand, dann halten sich sogar die Nonnen und der Doktor die Nase zu, sagen, es stinkt so. Ich merke nichts, habe mich schon dran gewöhnt. Weißt du, was es ist?«
    »Schrei nicht so«, Aquilino betrachtet die Wolken: dicke, gräuliche Würste und da und dort weiße Spritzer bedecken den Himmel, bleiernes Licht senkt sich langsam auf die Bäume herab. »Ich glaub, es wird regnen, aber auch wenn’s regnet, ich muß gehen. Ich schlaf nicht hier, Fushía.«
    »Weißt du noch, die Blumen auf der Insel?« Fushía hüpft wie ein haarloses, rosiges Äffchen auf der Stelle. »Die gelben, die bei Sonnenschein aufgehen, und zugehen, wenn’s dunkel wird? Die, von denen die Huambisas gesagt haben, das seien Geister. Weißt du noch?«
    »Ich geh, auch wenn’s in Strömen gießt«, sagt Aquilino. »Ich schlaf nicht hier.«
    »Genauso wie diese Blumen«, kreischt Fushía. »Wenn die Sonne scheint, gehen sie auf, und dann kommt Schleim heraus, das ist’s, was so stinkt, Aquilino. Aber es tut gut, da juckt’s nicht mehr, man fühlt sich besser. Da werden wir ganz glücklich und streiten auch nicht.«
    »Schrei nicht so, Fushía«, sagt Aquilino. »Schau nur,wie der Himmel sich zugezogen hat, und ein Wind geht! Die Nonne hat gesagt, daß dir das schadet, du mußt in deine Hütte zurück. Und ich geh jetzt, das ist besser.«
    »Aber wir riechen’s nicht, ganz gleich, ob die Sonne scheint oder ob’s bewölkt ist«, kreischt Fushía, »wir merken nie was. Wir riechen die ganze Zeit dasselbe, da ist’s gar nicht mehr wie Gestank, sondern als ob’s der Geruch des Lebens wär. Verstehst du mich, Alter?«
    Aquilino läßt die Nase los und atmet tief ein. Dünne Falten durchfurchen sein Gesicht, die Stirn unter dem Strohhut. Der Wind bläht sein grobes Leinenhemd auf und enthüllt dann und wann seine magere Brust, die vorstehenden Rippen, die gebräunte Haut. Der Alte senkt die Augen, schielt hinüber: er ist immer noch da, ruhig, wie eine große Krabbe.
    »Wie riecht’s denn?« kreischt Fushía. »Nach faulem Fisch?«
    »Um alles, was dir lieb ist, schrei nicht immer so!« sagt Aquilino. »Ich muß jetzt gehen. Wenn ich wiederkomme, bring ich dir was Weiches zum Essen, damit du’s nicht zu kauen brauchst. Werd schon was finden, werd in den Läden fragen.«
    »Setz dich, setz dich«, kreischt Fushía. »Warum bist du aufgestanden, Aquilino? Setz dich, setz dich.«
    In der Hocke hüpft er um Aquilino herum und sucht dessen Augen, aber der Alte schaut hartnäckig auf die Wolken, die Palmen, das schläfrige Wasserdes Flusses, die kleinen, schmutzigen Wellen. Flußabwärts zerteilt eine ockerfarbene kleine Insel herrisch die Strömung. Fushía hockt jetzt unmittelbar vor den Beinen Aquilinos. Der Alte setzt sich.
    »Ein klein bißchen noch, Aquilino«, kreischt Fushía. »Geh noch nicht, Alter, bist ja gerade erst gekommen.«
    »Da fällt mir ein, muß dir was erzählen«, der Alte schlägt sich an die Stirn und schaut, eine Sekunde lang, hin: der gesunde Fuß scharrt im Sand. »Im April war ich in Santa María de Nieva. Siehst du, wie schlecht mein Gedächtnis ist? Beinahe wär ich wieder gegangen, ohne es dir zu erzählen. Die Flußpatrouille hatte mich verpflichtet, einer der Lotsen war krank, und sie haben mich mit einem von den Kanonenbooten hingebracht, die fast übers Wasser fliegen. Zwei Tage waren wir da.«
    »Du hast Angst gehabt, ich könnte dich packen«, kreischt Fushía. »Ich könnt deine Beine umarmen, und deswegen hast du dich wieder gesetzt, Aquilino. Sonst wärst du abgehauen.«
    »Laß die Kreischerei, ich will dir was erzählen«, sagt Aquilino. »Die Lalita ist schrecklich dick geworden, am Anfang haben wir uns gar nicht erkannt. Sie hat geglaubt, ich sei schon gestorben. Hat geweint vor lauter Rührung.«
    »Früher bist du den ganzen Tag geblieben«, kreischt Fushía »Geschlafen hast du auf deinem Boot, und am nächsten Tag bist du wiedergekommen und hast dichmit mir unterhalten, Aquilino. Zwei oder drei Tage bist du geblieben. Jetzt, kaum bist du gekommen, willst du schon wieder gehen.«
    »Ich hab bei ihnen übernachtet, Fushía«, sagt Aquilino. »Einen Haufen Kinder hat sie, ich weiß nicht mehr wie viele, eine Menge. Und der Aquilino ist schon ein Mann. Zuerst war er Fährmann, und jetzt ist er nach Iquitos gegangen, arbeitet dort. Er ist gar nicht mehr, wie er als Kind war, seine

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