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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Augen sind nicht mehr so geschlitzt. Fast alle sind Jungen, und wenn du Lalita sehen könntest, du würdest nicht glauben, daß sie’s ist, so dick. Weißt du noch, wie ich sie entbunden hab, mit diesen Händen? Und jetzt ist er ein Riesenkerl, der Aquilino, und sympathisch. Und die Kinder vom Nieves auch, und auch die vom Guardia. Niemand kennt sie auseinander, alle gleichen sie Lalita.«
    »Auf mich sind alle neidisch gewesen«, kreischt Fushía. »Weil du mich immer besuchen gekommen bist, und die besucht niemand. Und hinterher haben sie sich lustig gemacht, weil du so lange nicht wiedergekommen bist. Er kommt schon, er ist eben auf Reisen, er treibt Handel auf den Flüssen, aber er kommt schon, morgen, oder übermorgen, er kommt auf alle Fälle. Jetzt ist’s, als kämst du nie, Aquilino.«
    »Lalita hat mir alles erzählt«, sagt Aquilino. »Sie hat keine Kinder mehr gewollt, aber der Guardia wollte noch welche und hat ihr immer wieder noch eins gemacht, und in Santa María de Nieva nennen sie dieBuben die Fetten. Aber nicht bloß die Kinder vom Guardia, auch die von Nieves und deines.«
    »Lalita?« kreischt Fushía. »Lalita, Alter?«
    Eine rötliche Erregung brodelt auf, Seufzer zusammen mit fauligen Ausdünstungen, und der Alte hält sich die Nase zu, wirft den Kopf zurück. Es hat angefangen zu regnen, und der Wind zischt zwischen den Bäumen, am andern Ufer wiegt sich das Binsengestrüpp, die Blätter klatschen flüsternd gegeneinander. Der Regen ist noch fein, unsichtbar. Aquilino steht auf: »Siehst du, jetzt regnet’s schon, ich muß gehen«, näselt er. »Werd auf dem Boot schlafen müssen, die ganze Nacht über im Nassen. Bei Regen kann ich nicht flußaufwärts fahren, wenn der Motor stehenbleibt, kann ich nicht mehr gegen die Strömung an, dann reißt sie mich mit, ist mir schon passiert. Bist du jetzt traurig, weil ich dir das von Lalita erzählt hab? Warum schreist du nicht mehr, Fushía?«
    Er hockt da, noch mehr zusammengekauert als vorher, rund, eiförmig, und antwortet nicht. Sein gesunder Fuß spielt mit den Kieselsteinen, die verstreut im Sand liegen: breitet sie aus und häuft sie zusammen, breitet sie aus und häuft sie zusammen, glättet die Ränder, und aus all diesen sorgfältigen und langsamen Bewegungen spricht eine Art Melancholie. Aquilino macht zwei Schritte, läßt die Augen jetzt nicht von diesem entzündeten Rücken, diesen Knochen, über die der Regen rieselt. Er weicht noch ein bißchen zurück, und jetzt sieht man die offenen Stellen nichtmehr und die Haut, alles ist eine opalisierende bis violette, dahlienfarbene Oberfläche. Er läßt die Nase los und atmet tief ein.
    »Sei nicht traurig, Fushía«, murmelte er. »Nächstes Jahr komm ich wieder, auch wenn ich noch so müde bin, Ehrenwort. Werd dir was Weiches mitbringen. Bist du böse wegen dem von Lalita? Denkst du an früher? So ist das Leben, Mensch, wenigstens ist’s dir besser ergangen als andern, denk an Nieves.«
    Murmelnd weicht er Schritt für Schritt zurück, schon ist er auf dem Pfad. An den unebenen Stellen haben sich Pfützen gebildet, und eine sehr starke pflanzliche Ausdünstung erfüllt die Luft, der Geruch von Pflanzensäften, Harz und Pflanzen, die keimen. Ein lauwarmer, noch spärlicher Dampf steigt in wogenden Schwaden auf. Der Alte weicht immer weiter zurück, das Häufchen lebendigen und blutenden Fleisches verharrt unbeweglich in der Ferne, verschwindet hinter dem Binsengestrüpp. Aquilino dreht sich halb um, rennt auf die Hütten zu, Fushía, nächstes Jahr würde er wiederkommen, wispernd, sollte nicht traurig sein. Und jetzt regnet es in Strömen.

II
    »Schnell, Padre«, sagte die Selvática. »Ich hab ein Taxi warten.«
    »Einen Moment.« Padre García räusperte sich und rieb sich die Augen. »Muß mich erst anziehen.«
    Er verschwand im Haus, und die Selvática bedeutete dem Taxichauffeur, er solle warten. Schwärme von Insekten schwirrten prasselnd um die Straßenlampen der menschenleeren Plaza Merino, der Himmel war hoch und gestirnt, und auf der Avenida Sánchez Cerro tauchten knatternd schon die ersten Lastwagen und nächtlichen Omnibusse auf. Die Selvática wartete auf dem Bürgersteig, bis die Tür wieder aufging und Padre García herauskam, das Gesicht umhüllt von einem grauen Schal, einen Tuchhut bis zu den Brauen herabgezogen. Sie stiegen ein, und das Taxi fuhr los.
    »Fahren Sie schnell, bitte«, sagte die Selvática. »So schnell Sie können, bitte.«
    »Ist’s weit?« sagte

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