Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Landstraße hat man es ganz deutlich hören können.«
»Schweig, Unselige«, röchelte Padre García, ohne sie anzusehen. »Halt deinen Mund!«
»Seien Sie nicht böse, Padre«, sagte die Selvática. »Ich weiß gar nicht, wovon ich red. Es tut mir halt so weh, Sie wissen nicht, wie Don Anselmo war.«
»Zur Genüge, Unselige«, murmelte Padre García. »Ich habe ihn schon gekannt, da warst du noch gar nicht auf der Welt.«
Er sagte noch etwas, unverständlich, und von neuem der heisere und beklommene Laut. In den Türen der Hütten standen Leute, und wo er vorbeikam, hörte man Gemurmel, guten Abend, einige Frauen bekreuzigten sich. Die Selvática klopfte an die Tür, und augenblicklich die Stimme einer Frau: es war geschlossen, war nichts los, Señora, sie war’s, der Padre war da. Kurze Stille, hastige Schritte, die Tür ging auf, und ein trübes Licht fiel in das ausgemergelte und greise Gesicht Padre Garcías, auf den Schal, der an seinem Hals baumelte. Er betrat das Lokal, hinter ihm die Selvática, erwiderte den Gruß nicht, den zwei Männerstimmen von der Theke aus an ihn richteten, hörte vielleicht nicht einmal das ehrerbietige Geflüster, das von zwei Tischen aufstieg, um die verschwommene Gestalten saßen. Vor der leeren Tanzfläche blieb er mürrisch und still stehen, und als ein Schatten ohne Gesicht vor ihm auftauchte, knurrte er bissig, wo warer? und die Chunga, die ihm die Hand hatte entgegenstrecken wollen, deutete statt dessen zur Treppe: wo? man sollte ihn hinbringen. Die Selvática nahm ihn beim Arm, Padre, sie würde es ihm zeigen. Sie durchquerten den Salon, stiegen zum ersten Stockwerk hinauf, und im Gang riß sich Padre García mit einem Ruck von der Hand der Selvática los. Sie klopfte ganz leise an eine der vier gleich aussehenden Türen und öffnete sie. Sie trat zur Seite, und als Padre García eingetreten war, zog sie sie zu und kehrte zurück in den Salon.
»War’s kalt, draußen?« fragte der Bulle. »Du zitterst ja.«
»Da, trinken Sie das«, sagte der Jüngling Alejandro. »Davon wird Ihnen warm.«
Die Selvática nahm das Glas, trank und wischte sich mit der Hand über die Lippen.
»Der Padre ist auf einmal wütend geworden«, sagte sie. »Im Taxi hat er mich an der Schulter gepackt, hat mich geschüttelt. Ich hab schon geglaubt, er schlägt mich.«
»Er wird leicht böse«, sagte der Bulle. »Ich hätt nicht gedacht, daß er kommt.«
»Ist Doktor Zevallos noch oben, Señora?« sagte die Selvática.
»Vorhin ist er mal runtergekommen, um eine Tasse Kaffee zu trinken«, antwortete die Chunga. »Sagt, es hätt sich nichts geändert.«
»Ich trink noch einen Schnaps, Chunguita, brauchihn für die Nerven«, sagte der Bulle. »Ich hab kein Geld, zieh’s mir ab.«
Die Chunga nickte und füllte beiden die Gläser. Dann, mit der Flasche in der Hand, ging sie zu den Tischen am Rand der Tanzfläche, wo die Insassinnen diskret miteinander tuschelten: wollten sie was trinken? Nein, danke, Señora, und sie brauchten auch nicht mehr zu bleiben, konnten Schluß machen. Ein erneutes Tuscheln antwortete ihr, länger diesmal, ein Stuhl knarrte, wenn’s nichts ausmachte, würden sie lieber bleiben, ging das? und die Chunga, freilich, wie sie wollten, und kehrte zur Theke zurück. Die Gestalten im Dunkel setzten ihr leises Gespräch fort, und die Musikanten tranken schweigend, blickten von Zeit zu Zeit zur Treppe.
»Warum spielt ihr nicht etwas?« sagte die Chunga, halblaut, mit einer vagen Handbewegung. »Wenn er euch hören kann, wer weiß, vielleicht gefällt’s ihm; dann weiß er, daß ihr ihm Gesellschaft leistet.«
Der Bulle und der Jüngling waren im Zweifel, die Selvática, doch, doch, die Señora hatte recht, das würde ihm gefallen, und die im Schatten verstummten: schön, sie würden spielen. Sie gingen in ihre Ecke, langsam, der Bulle setzte sich auf dem Hocker zurecht, lehnte sich an die Wand, und der Jüngling hob die Gitarre vom Boden auf. Sie begannen mit einem Triste, und erst eine gute Weile später getrauten sie sich zu singen, vor sich hin, ohne rechten Mut, aber nach und nach sangen sie lauter, und schließlich fandensie ihre gewohnte Ungezwungenheit und Lebhaftigkeit wieder. Wenn sie eine Komposition des Jünglings vortrugen, merkte man, daß sie gerührt wurden, sie sprachen die Strophen mit sehr zögernder Stimme und sentimental, und dem Bullen lief mitunter die Musik davon und er verstummte. Die Chunga brachte ihnen ein paar Schnäpse. Auch sie wirkte
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