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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Angélica Mercedes schon offen? Sollte man annehmen, Patrón, sie machte schon ganz früh auf, und Padre García knurrt, da nicht, und seine Hand zappelt vor dem Gesicht Doktor Zevallos’, da nicht,zappelt noch einmal und zieht sich wieder zwischen die Falten zurück.
    »Brummeln Sie doch nicht dauernd«, sagt Doktor Zevallos. »Es kann Ihnen doch egal sein wo. Wichtig ist jetzt, was Heißes in den Magen zu bekommen, nach dieser schlimmen Nacht. Tun Sie nicht so, Sie wissen, daß Sie kein Auge zumachen werden, wenn Sie jetzt zu Bett gehen. Bei Angélica Mercedes werden wir was essen und uns unterhalten.«
    Ein unwilliges Zischen dringt durch den Schal, Padre García rutscht auf seinem Sitz hin und her, ohne zu antworten. Das Taxi fährt jetzt durch das Buenos-Aires-Viertel, vorbei an Chalets mit großen Gärten, die sich zu beiden Seiten der Straße hinziehen, macht einen Bogen um das dunkle Monument und nähert sich dem düsteren Massiv der Kathedrale. Einige Schaufenster der Avenida Grau blitzen im Morgenlicht. Vor dem »Hotel de Turistas« steht der Müllwagen, Männer in Overalls schleppen Abfalltonnen zu ihm hin. Der Chauffeur fährt mit einer Zigarette im Mundwinkel, ein graues Wölkchen wirbelt nach hinten zu den Rücksitzen, und Padre García beginnt zu husten. Doktor Zevallos läßt das Fenster ein wenig herunter.
    »Seit der Totenwache für Domitila Yara sind Sie nicht mehr in der Mangachería gewesen, oder?« sagt Doktor Zevallos; er bekommt keine Antwort: Padre García hat die Augen geschlossen und schnarcht unwirsch.
    »Sie wissen ja, daß sie ihn damals beinahe umgebracht hätten, bei der Totenwache?« sagt der Chauffeur.
    »Sei still, Mensch«, flüstert Doktor Zevallos. »Wenn er dich hört, kriegt er einen Wutanfall.«
    »Ist’s wahr, daß der Arpista gestorben ist, Patrón?« sagt der Chauffeur. »Sind Sie beide deswegen ins Grüne Haus gerufen worden?«
    Die Avenida Sánchez Cerro gleicht einem langen Tunnel, und in dem Halbdunkel der Trottoirs zeichnet sich in gewissen Abständen die Silhouette eines Bäumchens ab. Im Hintergrund, über einem verschwommenen Horizont von Dächern und Sandstrichen, beginnt jetzt schimmernd und schillernd ein kreisrundes Leuchten.
    »Heute in der Frühe ist er gestorben«, sagt Doktor Zevallos. »Oder meinst du vielleicht, Padre García und ich sind noch in dem Alter, wo man die Nacht bei der Chunga verbringt?«
    »Dafür ist man nie zu alt, Patrón«, lacht der Chauffeur. »Ein Kollege hat eine der Insassinnen zu Padre García gefahren, die, die Selvática genannt wird. Er hat mir erzählt, daß der Arpista im Sterben liegt, Patrón, wie traurig.«
    Doktor Zevallos sieht zerstreut hinaus auf die gekalkten Mauern, die Haustore mit den Klopfern, das neue Haus der Solaris, die frisch gepflanzten Algarrobabäume auf den Bürgersteigen, zerbrechlich und zierlich in ihren kleinen Erdquadraten: wie in diesemNest die Neuigkeiten umgingen. Aber er, Patrón, er mußte es doch wissen, und der Chauffeur senkt die Stimme, war’s wahr, was die Leute erzählten? späht im Rückspiegel auf Padre García, hat der Padre ihm wirklich das Grüne Haus niedergebrannt? Hatte er diesen Puff gekannt, Patrón? War er so groß, wie’s heißt, so fabelhaft?
    »Warum sind die Piuraner bloß so?« sagt Doktor Zevallos. »Sind sie’s in dreißig Jahren nicht müde geworden, immer wieder die alte Geschichte aufzuwärmen? Haben dem armen Pfaffen das ganze Leben versauert.«
    »Reden Sie nicht schlecht von den Piuranern, Patrón«, sagt der Chauffeur. »Piura ist meine Heimat.«
    »Meine auch«, sagt Doktor Zevallos. »Außerdem red ich gar nicht, ich denk nur laut.«
    »Aber irgendwas Wahres muß doch dran sein, Patrón«, beharrt der Chauffeur. »Warum reden die Leute sonst davon, warum immer dieses Brandstifter, Brandstifter.«
    »Was weiß ich«, sagt Doktor Zevallos. »Wetten, daß du dich nicht getraust, den Padre danach zu fragen?«
    »Wo werd ich denn, wenn der immer gleich wild wird! Ich denk nicht dran!« lacht der Chauffeur. »Aber sagen Sie mir wenigstens, ob der Puff existiert hat oder ob’s die Leute bloß erfunden haben.«
    Sie fahren jetzt durch den neuen Teil der Avenida: die alte Autostraße wird bald mit dem asphaltierten Teil verbunden sein, und die Lastwagen, die aus demSüden kommen und nach Sullana, Talara und Tumbes fahren, werden nicht mehr das Stadtzentrum zu durchqueren brauchen. Die Bürgersteige sind breit und niedrig, die grauen Lichtmasten sind frisch gestrichen,

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