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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Hüten, um sich gegen die Angriffe des Windes und des Sandes zu schützen, treiben die Peones die ganze Nacht über die schwerfälligen, langsamen Tiere auf den Fluß zu. Im Morgengrauen steigt Piura vor ihnen auf: eine graue Fata Morgana am jenseitigen Flußufer, ein regloser Steinhaufen. Sie ziehen nicht über die Alte Brücke in die Stadt ein, denn die ist baufällig. Wenn das Flußbett trocken liegt, durchqueren sie es inmitten einer riesigen Staubwolke. In den Monaten, in denen die Fluten sich dahinwälzen, machen sie am Ufer halt. Das Vieh beschnüffelt mit seinen breiten Schnauzen die Erde, reißt mit seinen Hörnern die zarten Algarrobabäume um, bricht in melancholisches Brüllen aus. Die Männer unterhalten sich bedächtig beim Frühstück aus kaltem Fleisch und kleinen Schlucken Rohrschnaps oder dösen, in ihre Ponchos gehüllt, vor sich hin. Sie brauchen nicht lange zu warten, manchmal kommt Carlos Rojas schon vor dem Vieh am Ladeplatz an. Er ist den Fluß heruntergekommen, vom andern Ende der Stadt her, wo er seine Hütte hat. Der Fährmann zählt die Tiere, schätzt ihr Gewicht, entscheidet, wie oft er hin-und herfahren muß, um sie überzusetzen. Am jenseitigen Ufer legen die Männer vom Schlachthof Seile, Sägen und Messer bereit und das Faß, worin jene zähe Ochsenkopfbrühe brodeln wird, die nur die vom Schlachthaus schlürfen können, ohne in Ohnmacht zu fallen. Wenn seine Arbeit beendet ist, macht Carlos Rojas die Fähre aneinem der Pfähle der Alten Brücke fest und begibt sich zu einer der Cantinas in der Gallinacera, wo die Frühaufsteher zusammenzukommen pflegen. An diesem Morgen war schon eine stattliche Anzahl Wasserträger, Straßenkehrer und Marktfrauen dort versammelt, alle aus der Gallinacera. Sie haben ihm eine Kalebasse mit Ziegenmilch vorgesetzt, ihn gefragt, warum er so ein Gesicht machte. Der Frau ging’s gut? Und der Junge? Ja, es ging ihnen gut, und Josefino konnte schon laufen und sagte Papa, aber er mußte ihnen etwas erzählen. Und sein großer Mund stand immer noch offen, und die Augen drückten Unglauben aus, so als hätte er eben den Leibhaftigen gesehen. Seit zehn Jahren arbeitete er jetzt als Fährmann, und noch nie hatte er so früh jemand auf der Straße getroffen, außer den Leuten vom Schlachthof. Die Sonne geht noch nicht auf, alles ist schwarz, es ist die Stunde, da der Sand am dichtesten rieselt, wem fällt es also schon ein, um diese Zeit spazierenzugehen? Und die von der Gallinacera, recht hast du, Mann, keinem fällt so etwas ein. Er sprach aufgeregt, seine Worte schossen hervor, und er unterstrich sie mit energischen Gesten; in den Pausen blieb der große Mund offen und starrten die Augen ungläubig, immer noch. Drum hatte er sich ja erschreckt, verdammt noch mal, so ungewöhnlich war es. Was denn? Und er hörte wieder, ganz deutlich, das Getrappel eines Pferdes. Er schnappte nicht über, ja, er hatte in alle Richtungen geblickt, sie sollten doch abwarten, sollten ihn erzählenlassen: über die Alte Brücke hatte er es hereinkommen sehen, auf der Stelle hatte er es erkannt. Das Pferd von Don Melchor Espinoza? Jawohl, mein Herr, ebendrum, eben weil es weiß war, leuchtete es so in der Dämmerung und sah wie ein Gespenst aus. Und die aus der Gallinacera, enttäuscht, losgerissen wird es sich haben, das kommt vor, oder Don Melchor wurde schwachköpfig und reiste jetzt nachts? Das hat er auch gedacht, jetzt weiß ich’s, das Tier ist ihm davon, muß es einfangen. Er sprang von der Fähre und rannte mit großen Sätzen die Böschung hoch, Gott sei Dank ging das Pferdchen langsam, er näherte sich ihm allmählich, damit es nicht scheute, jetzt würde er sich ihm in den Weg stellen, die Mähne packen und schnalzen, tschß, tschß, ruhig, Wildfang, er würde aufsitzen, auch ohne Sattel, und es seinem Eigentümer zurückgeben. Es kam im Schritt, schon ganz nahe, und er sah es kaum wegen des dichten Sandes, zusammen bogen sie nach Castilla ein, und er schnitt ihm den Weg ab und peng! Das Interesse ist wieder wach, die von der Gallinacera, und was dann, Carlos? sag doch. Jawohl, meine Herren, Don Anselmo, der hat ihn vom Sattel aus angestarrt, Ehrenwort. Hatte ein Tuch vorm Gesicht und, im ersten Moment, die Haare sind ihm zu Berge gestanden: Verzeihung, Don Anselmo, ich dachte, das Tier sei ausgerissen. Und die aus der Gallinacera, was hat er denn da gemacht? wohin hat er denn gewollt? hat er Piura heimlich den Rücken kehren wollen, wie ein Dieb?Verdammt, sie sollten

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