Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
ihn doch fertig erzählen lassen. Gelacht hat er, rundheraus, ihn angesehen und fast in die Hosen gemacht vor Lachen, und das Pferdchen, den Schädel hat es weggebogen. Wußten sie, was der gesagt hat? Machen Sie doch kein so angstvolles Gesicht, Rojas, ich hab nicht schlafen können, und da bin ich ein wenig spazierengeritten. Hatten sie das gehört? Genau wie er es erzählte. Der Wind war das reinste Feuer, peitschte härtestens, schlimmer noch, und er hatte Lust, ihm zu antworten, für wie blöde er ihn eigentlich hielt, glaubte er etwa, er würde ihm das glauben? Und einer aus der Gallinacera, aber das würdest du ihm doch nicht sagen, Carlos, man kann die Leute doch nicht Lügner nennen, und außerdem kann es dir doch egal sein. Aber das war noch nicht alles. Eine Weile später sah er ihn wieder, in der Ferne, im Hohlweg nach Catacaos. Und eine aus der Gallinacera: in der Sandwüste? der Arme, sein Gesicht würde ja wie ein Reibeisen aussehen, und die Augen und die Hände. Wo es doch an dem Tag so geweht hatte. Wenn sie ihn nicht reden ließen, sagte er überhaupt nichts mehr und ging. Ja, immer noch zu Pferd und dahin und dorthin ist er herumgeritten und immer noch einmal, den Fluß hat er angeschaut, die Alte Brücke, die Stadt. Und dann saß er ab und spielte mit dem Umhang. Wie ein kleiner Bub, hüpfte und tollte herum wie der kleine Josefino. Und die aus der Gallinacera, Don Anselmo wird doch nicht verrückt geworden sein? wäre schade, wo er doch ein soguter Mensch ist, vielleicht war er nur besoffen? Und Carlos Rojas, nein, ihm war er weder verrückt noch besoffen vorgekommen, hatte ihm zum Abschied die Hand gegeben, sich nach der Familie erkundigt und ihm Grüße aufgetragen. Aber jetzt sahen sie selbst, hatte er nicht Grund, durcheinander zu sein?
An jenem Morgen erschien Don Anselmo zur üblichen Stunde auf der Plaza de Armas, lächelnd und redselig. Er wirkte sehr fröhlich, allen Passanten, die an der Terrasse vorbeikamen, trank er zu. Ein unbezähmbarer Drang, Witze zu reißen, beherrschte ihn; in einem fort sprudelten aus seinem Mund zweideutige Geschichten hervor, bei denen Jacinto, der Kellner der ›Estrella del Norte‹, sich vor Lachen biegen mußte. Die Nachricht von seiner nächtlichen Exkursion hatte schon überall die Runde gemacht, und die Piuraner bedrängten ihn mit Fragen: er antwortete mit Spott und zweideutigen Sentenzen.
Carlos Rojas’ Erzählung faszinierte die Stadt und war tagelang Gesprächsthema. Einige Neugierige machten sich an Don Melchor Espinoza heran auf der Suche nach Informationen. Der alte Landwirt wußte nichts. Außerdem würde er seinem Pensionär keine Fragen stellen, weil er nicht unverschämt und klatschhaft war. Er hatte sein Pferd sauber und abgesattelt vorgefunden. Mehr wollte er nicht wissen, sie sollten verschwinden und ihn in Ruhe lassen.
Als die Leute schon aufhörten, über jene Exkursion zu klatschen, wurden sie von einer noch seltsamerenNeuigkeit überrascht. Don Anselmo hatte der Stadtverwaltung ein auf der andern Seite der Alten Brücke gelegenes Grundstück abgekauft, jenseits der letzten Hütten von Castilla, mitten in der Sandwüste, dort, wo der Fährmann ihn an dem Morgen hatte herumtollen sehen. Nun war es zwar nicht verwunderlich, daß der Fremde, hatte er beschlossen, sich in Piura niederzulassen, ein Haus bauen wollte. Aber – in der Wüste! Der Sand würde jenes Haus in kurzer Zeit auffressen, würde es verschlucken wie die alten, modrigen Bäume oder die verreckten Aasgeier. Der Sand ist unsicher, gibt nach. Die Dünen befinden sich jede Nacht woanders, der Wind schafft sie, trägt sie ab und siedelt sie neu an, je nach Laune, läßt sie schwinden und wachsen. Sie schwellen drohend an und sind überall, umfassen Piura wie eine Mauer, weiß in der Frühe, rot, wenn es dämmert, braun während der Nächte, und am Tag darauf sind sie geflohen, und man sieht sie, verstreut, entfernt, wie einen spärlichen Hautausschlag der Wüste. Abends würde Don Anselmo völlig isoliert sein und dem Staub ausgeliefert. Inständig versuchten zahlreiche Einheimische, dieses wahnsinnige Unternehmen zu verhindern, überschütteten ihn mit Argumenten, um ihn davon abzubringen. Er sollte doch ein Grundstück in der Stadt kaufen, nicht starrköpfig sein. Aber Don Anselmo verwarf all ihre Ratschläge und widersprach mit Worten, die rätselhaft waren.Das Motorboot mit den Soldaten taucht so um Mittag herum auf, will mit dem Bug anlegen und nicht seitwärts, wie
Weitere Kostenlose Bücher