Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Don Melchor Espinoza eine Kiste Pisco und ein Sattelzeug aus gepunztem Leder geschenkt hatte.
Bald darauf verreiste Don Anselmo. Auf einem schwarzen Pferd, das er gerade erst gekauft hatte, verließ er die Stadt so, wie er gekommen war, eines Morgens bei Tagesanbruch, ohne daß jemand ihn sah, mit unbekanntem Ziel.
So viel ist in Piura über das ursprüngliche Grüne Haus gesprochen worden, jene Modellstätte, daß längst niemand mehr mit Sicherheit weiß, wie es wirklich war, noch die authentischen Einzelheiten seiner Geschichte kennt. Die Überlebenden jener Zeit, sehr wenige, widersprechen einander und sich selbst, haben schließlich, was sie gehört und gesehen, mit ihren eigenen Flunkereien durcheinandergebracht. Und die Akteure sind schon so altersschwach und ihr Stillschweigen so hartnäckig, daß es wenig nützte, wollte man sie befragen. Wie dem auch sei, das ursprüngliche Grüne Haus existiert nicht mehr. Bis vor einigen Jahren fand man dort, wo es erbaut wurde – jene Sandfläche, deren Grenzen Castilla und Catacaos bilden –, noch Holzreste und verkohlte Haushaltsgeräte, aber die Wüste und die Autostraße, die seitdem gebautworden ist, und die Felder, die rundherum entstanden sind, haben schließlich all diese Spuren verwischt, und heute gibt es keinen Piuraner mehr, der einem genau sagen könnte, wo in dem gelblichen Sandmeer es aufragte mit seinen Lichtern, seiner Musik, seinem Lachen und seinen bei Tage so prächtigen Mauern, die es aus der Ferne und des Nachts in ein viereckiges, phosphoreszierendes Reptil verwandelten. Die Mangachegeschichten wissen zu berichten, daß es sich in der Nähe der andern Seite der Alten Brücke befand, daß es sehr groß war, der größte aller Bauten in jener Zeit, und daß in seinen Fenstern so viele bunte Lichter hingen, daß der Glanz den Augen weh tat, den Sand ringsum erleuchtete, ja sogar noch die Brücke erhellte. Aber seine größte Attraktion war die Musik, die pünktlich in seinem Innern aufklang, sobald der Abend sich herabsenkte, die ganze Nacht über dauerte und doch wahrhaftig in der Kathedrale noch zu hören war. Don Anselmo, heißt es weiter, besuchte unermüdlich die Chicha-Schenken der einzelnen Viertel, ja auch die der umliegenden Dörfer, auf der Suche nach Musikanten, und von überallher brachte er Gitarristen mit, Kistentrommler, Quijadameister, Flötenspieler, Pauker und Hornisten. Jedoch niemals Arpistas, denn die Arpa spielte er selbst, und sein Instrument beherrschte unverwechselbar die Musik im Grünen Haus.
»Es war, als erfüllte giftiger Odem die Luft« , sagten die alten Weiber vom Malecón. »Die Musik drangüberall ein, auch wenn wir Türen und Fenster schlossen, wir haben sie beim Essen gehört, beim Beten und beim Schlafen.«
»Und die Gesichter der Männer mußte man sehen, wenn sie sie hörten« , sagten die in Schleiern erstickenden Betschwestern. »Und man mußte sehen, wie es sie von zu Haus fortzog, auf die Straße hinausriß und auf die Alte Brücke zutrieb.«
»Und alles Beten war umsonst« , sagten die Mütter, die Ehefrauen, die Bräute, »unser Weinen, unser Bitten, auch die Predigten der Padres, auch die Novenen, ja sogar die Trishagien: alles umsonst.«
»Wir haben die Hölle vor den Toren« , donnerte Padre García, »jeder kann das sehen, aber ihr seid blind. Piura ist zu Sodom und Gomorrha geworden.«
»Vielleicht ist es wahr, daß das Grüne Haus Unheil brachte« , sagten die Alten und leckten sich die Lippen. »Aber wie herrlich es in der verdammten Bude war!«
Wenige Wochen nachdem Don Anselmo mit der Karawane Freudenmädchen nach Piura zurückgekehrt war, hatte das Grüne Haus sich durchgesetzt. Anfangs schlichen sich seine Besucher heimlich aus der Stadt, warteten die Dunkelheit ab, überquerten unauffällig die Alte Brücke und verschwanden zwischen den Dünen. Allmählich nahmen die Ausflüge dann zu, und den jungen Männern, immer unvorsichtiger, war es bald gleichgültig, ob sie von den Señoras erkannt wurden, die sich den Malecón entlang hinterden Jalousien postiert hatten. In Hütten und Salons, auf den Haziendas wurde von nichts anderem mehr gesprochen. Auf den Kanzeln mehrten sich die Warnungen und Ermahnungen, Padre García prangerte die Zügellosigkeit mit Bibelzitaten an. Ein Ausschuß zur Förderung Frommer Werke und zur Erhaltung der Guten Sitten wurde gegründet, und die Damen, aus denen er sich zusammensetzte, statteten dem Präfekten und dem Alkalden Besuche ab. Die Beamten
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