Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Landschaft.
Don Anselmo dagegen ließ sich durchaus in der Stadt blicken. Er ritt durch die Straßen auf seinem schwarzen Pferd, dem er kokette Kunststückchen beigebracht hatte: es wedelte fröhlich mit dem Schweif, wenn eine Frau vorbeikam, hob zum Gruß einen abgewinkelten Vorderfuß, machte Tanzschritte, wenn es Musik hörte. Don Anselmo war dicker geworden und kleidete sich übertrieben auffallend: weicher Panamahut, Halstuch aus Seide, Leinenhemd, Gürtel mit Beschlägen, enganliegende Hosen, Stiefel mit hohen Absätzen und Sporen. Seine Hände strotzten von Ringen. Gelegentlich stieg er ab, um in der ›Estrella del Norte‹ ein paar Schnäpse zu trinken, und viele Principales zögerten nicht, sich an seinen Tisch zu setzen, sich mit ihm zu unterhalten und ihn anschließend vor die Stadt zu begleiten.
Don Anselmos Wohlstand fand seinen Ausdruck in An-und Ausbauten des Grünen Hauses. Wie ein lebendiger Organismus wuchs und reifte es. Die erste Neuerung war eine Steinmauer. Gespickt mit Disteln, Scherben, Stacheln und Dornen, um Diebe zu entmutigen, umgab sie das Erdgeschoß und entzog es dem Blick. Aus dem zwischen der Mauer und dem Haus eingeschlossenen Raum wurde zuerst ein kleiner, gepflasterter Patio, dann ein ebener Vorplatz mit Kaktustöpfen, danach eine Art kreisförmiger Salon mit Binsenläufern am Boden und einem Strohdach, und schließlich ersetzte Holz das Stroh, der Salon wurde mit Steinen ausgelegt und das Dach mit Ziegelplatten gedeckt. Über dem Obergeschoß wuchs ein weiteres empor, klein und zylindrisch wie ein Festungsturm. Jeder neue Stein, jeder Ziegel und jedes Stück Holz wurde automatisch grün gestrichen. Die von Don Anselmo erkorene Farbe gab schließlich der Landschaft einen erfrischenden, an Pflanzen, fast an Wasser erinnernden Akzent. Schon von weitem erblickten die Reisenden das Gebäude mit seinen grünen Mauern, die im lebendigen gelben Licht des Sandes halb verschwammen, und hatten den Eindruck, als näherten sie sich einer Oase von einladenden Palmen, Kokosbäumen, kristallklaren Quellen, und es war, als verspräche diese Erscheinung in der Ferne dem ermüdeten Leib alle Arten von Erquickungen, spendete dem von der Hitze der Wüste niedergeschlagenen Geist endlos neue Kräfte.
Don Anselmo, heißt es, habe im obersten Geschoß gewohnt, in jenem gedrungenen Turm, und niemand, nicht einmal seine besten Kunden – Chápiro Seminario, der Präfekt, Don Eusebio Romero, Doktor Pedro Zevallos –, hatte Zutritt zu diesem Raum. Von dort aus wird Don Anselmo zweifellos das Defilee der Besucher über die Sandfläche beobachtet, wird ihre Silhouetten von den Sandwirbeln umspült gesehen haben, jenen hungrigen Bestien, die von Sonnenuntergang an um die Stadt marodieren.
Außer den Insassinnen beherbergte das Grüne Haus in seinen besten Zeiten auch Angélica Mercedes, eine junge Mangache, die von ihrer Mutter die Weisheit, die Kunst der Picante-Zubereitung geerbt hatte. Mit ihr ging Don Anselmo auf den Markt, in die Läden, um Lebensmittel und Getränke einzukaufen: Kaufleute und Marktfrauen verneigten sich bei seinem Nahen wie Zuckerrohr im Wind. Die Zicklein, Spanferkel, Schweine und Lämmer, die Angélica Mercedes mit geheimnisvollen Kräutern und Spezereien schmorte, wurden zu einer der Verlockungen des Grünen Hauses, und es gab alte Männer, die schworen: »Wir gehen nur dorthin, um das köstliche Essen zu genießen.«
Die Umfriedungen des Grünen Hauses waren ständig belebt von einer Vielzahl von Bettlern, Hausierern, Obstverkäuferinnen, die über die kommenden oder gehenden Gäste herfielen. Die Kinder der Stadt entwischten des Nachts von daheim und spionierten, hinter den Gebüschen versteckt, den Gästen nachund lauschten der Musik, dem Gelächter. Einige erklommen die Mauern, zerschrammten sich Hände und Beine und spähten sehnsüchtig ins Innere. Eines Tages (es war ein gebotener Feiertag) stellte sich Padre García wenige Meter vor dem Grünen Haus im Sand auf und stürzte sich auf einen Besucher nach dem andern und ermahnte sie, in die Stadt zurückzukehren und zu bereuen. Aber sie erfanden Entschuldigungen: eine geschäftliche Verabredung, einen Kummer, der betäubt werden muß, sonst vergiftet er die Seele, eine Wette, bei der es um die Ehre geht. Einige verspotteten den Padre und luden ihn ein, sich ihnen anzuschließen, einer fühlte sich sogar beleidigt und zog die Pistole.
Neue Mythen entstanden in Piura über Don Anselmo. Einige behaupteten, er mache heimliche
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