Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
die Aasgeier bauten ihre Nester in die frische Baustelle, und jeden Morgen mußte das Begonnene neu gemacht, Beschädigtes ersetzt, mußten die Pläne korrigiert werden, ein stummer Kampf, der die Stadt immer mehr in Atem hielt. »Wann wird der Fremde sich wohl geschlagen geben?« fragten sich die Einwohner. Aber die Tage zogen vorüber, und ohne sich von den Mißgeschicken kleinkriegen oder sich vom Pessimismus der Bekannten und Freunde anstecken zu lassen, entfaltete Don Anselmo unermüdlich eine erstaunliche Geschäftigkeit. Halbnackt dirigierte er die Arbeiten, das Haargestrüpp auf seiner Brust war feucht von Schweiß, sein Mund voller Begeisterung. Er verteilte Schnaps und Chicha an die Arbeiter und karrte eigenhändig Ziegel heran, nagelte Bretter fest, kam und ging, die Maultiere antreibend, durch die Stadt. Und eines Tages gestanden sich die Piuraner ein, daß Don Anselmo siegen würde, als sie nämlich jenseits des Flusses, der Stadt gegenüber, wie von ihr ausgesandt an die Schwelle der Wüste, ein solides, siegreiches Holzskelett stehen sahen. Von da an gingen die Arbeiten rasch voran. Die Leute aus Castilla und den Slums um den Schlachthof kamen jeden Morgen, um sich die Arbeiten anzusehen, erteiltenRatschläge und gingen sogar, hin und wieder, spontan den Arbeitern zur Hand. Don Anselmo bot allen zu trinken an. Während der letzten Tage herrschte Jahrmarktsstimmung rings um den Bauplatz: Chicha-Verkäuferinnen, Obstfrauen, Verkäuferinnen von Käse, Süßigkeiten und Erfrischungen eilten herbei, um ihre Waren Arbeitern und Gaffern anzubieten. Die Hazienda-Besitzer machten halt, wenn sie vorbeikamen, und richteten vom Sattel aus anspornende Worte an Don Anselmo. Eines Tages spendierte Chápiro Seminario, der mächtige Gutsbesitzer, einen Ochsen und ein Dutzend Krüge Chicha. Die Arbeiter veranstalteten eine Pachamanca.
Als das Haus fertig war, bestimmte Don Anselmo, es solle von oben bis unten grün gestrichen werden. Sogar die Kinder lachten lauthals, als sie sahen, wie die Mauern sich mit einer Smaragdhaut überzogen, an der die Sonne zerschellte und schuppige Reflexe zurückzuckten. Alt und jung, reich und arm, Männer und Frauen scherzten fröhlich über Don Anselmos Laune, seine Wohnstätte so zu verunzieren. Sie tauften sie auf der Stelle »Das Grüne Haus« . Doch nicht nur die Farbe belustigte sie, auch seine extravagante Anatomie. Es bestand aus zwei Etagen, aber die untere verdiente kaum so genannt zu werden: ein geräumiger Salon, von Balken unterteilt, ebenfalls grün, die die Decke trugen; ein unüberdachter Patio, gepflastert mit vom Fluß blankgewaschenen Steinchen, und eine kreisförmige Mauer, so hoch wie ein Mann.Das obere Stockwerk enthielt sechs winzige Zimmerchen, eins neben dem andern, entlang einem Balustradengang aus Holz, der sich über dem Salon des unteren Stockwerks hinzog. Außer dem Haupteingang hatte das Grüne Haus zwei rückwärtige Türen, einen Pferdestall und eine große Vorratskammer.
Im Laden des Spaniers Eusebio Romero kaufte Don Anselmo Fußmatten, Öllampen, Vorhänge in auffälligen Farben, viele Stühle. Und eines Morgens verkündeten zwei Tischler aus der Gallinacera: »Don Anselmo hat bei uns eine Büroausstattung in Auftrag gegeben, eine Theke aufs Haar so wie die in der ›Estrella del Norte‹ und – ein halbes Dutzend Betten!« Daraufhin gestand Don Eusebio Romero: »Und bei mir sechs Waschbecken, sechs Spiegel, sechs Nachttöpfe.« Eine Art wilder Erregung bemächtigte sich aller Stadtviertel, eine geräuschvolle und lebhafte Neugierde.
Gerüchte blühten auf. In einem Haus nach dem andern, einem Wohnzimmer nach dem andern, tuschelten die Betschwestern, blickten die Frauen mißtrauisch ihre Männer an, lächelten die Piuraner einander verschmitzt zu, und eines Sonntags, während der Zwölf-Uhr-Messe, behauptete Padre García von der Kanzel herab: »Ein Angriff gegen die Moral bereitet sich in dieser Stadt vor.« Die Piuraner fielen auf der Straße über Don Anselmo her, verlangten Erklärungen. Aber umsonst: »Ist ein Geheimnis« , antwortete er, vergnügt wie ein Schuljunge, »noch ein bißchen Geduld, bald ist es soweit.« Gleichgültig gegenüber derAufregung in den verschiedenen Stadtteilen, kam er wie eh und je vormittags in die ›Estrella del Norte‹ und trank und scherzte und brachte Trinksprüche aus und Komplimente auf die Frauen, die über die Plaza gingen. Nachmittags schloß er sich im Grünen Haus ein, wohin er umgezogen war, nachdem er
Weitere Kostenlose Bücher