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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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hätten Bonifacia die Zunge herausgeschnitten. Aber Kind, sie weinte ja, was denn, Kind, warum die Tränen, und Bonifacia hält den Kopf hoch, die Tränen nässen ihre Wangen, die dicken Lippen sind hartnäckig geschlossen, und Don Fabio, bah, bah, Dummchen, vorgebeugt und mitleidig, sie sollte sich freuen, würde ein Heim haben, und die kleinen Mädchen von Señor Reátegui waren doch so nett. Die Oberin ist blaß geworden, so ein Kind! ihr Gesicht ist jetzt so weiß wie ihre Hände, so ein Dummkopf! weswegen weinte sie nur? Bonifacia öffnet die grünen, feuchten, trotzigen Augen, läuft über den Teppich, aber Kind, fällt vor der Oberin auf die Knie, Dummchen, hascht nach einer ihrer Hände, legt sie an ihr Gesicht, die mit den zugeschliffenen Zähnen lacht kurz und die Oberin stottert, schaut Reátegui an, Bonifacia, ruhig: sie hätte es ihr doch versprochen, und die Madre Angélica auch. Ihre Hand versucht sich von dem Gesicht zu befreien, das sich daran reibt. Reátegui und Don Fabio lächeln verwirrt und wohlwollend, die dicken Lippen küssen wild dieblassen und zerbrechlichen Finger, und die mit den zugespitzten Zähnen lacht schon unverhohlen: sah sie denn nicht ein, daß es zu ihrem Vorteil war? wo würde man sie besser behandeln? hatte sie es ihr nicht noch vor kaum einer halben Stunde versprochen? und die Madre Angélica, hielt sie ihr Versprechen so? Don Fabio steht auf, reibt sich die Hände, so waren die Mädchen nun mal, empfindlich, weinten immer gleich, Mädchen, sie sollte sich zusammennehmen, würde ja sehen, wie hübsch es in Iquitos war, wie gut, wie fromm Señora Reátegui war, und die Oberin, Don Julio, sie bat ihn, sie bedauerte es. Diese Kleine war noch nie schwierig gewesen, sie erkannte sie nicht wieder. Bonifacia, beruhig dich doch, und Julio Reátegui, aber, aber, Madre. Sie hatte die Mission eben liebgewonnen, das war doch nicht seltsam, und es war besser, wenn sie nicht gegen ihren Willen käme, besser, wenn sie bei den Madres bliebe. Er würde eben die andere mitnehmen, und Portillo sollte sich ein Kindermädchen in Iquitos suchen, vor allem aber sollte sie sich keine Sorgen machen, Madre.

I
    »Schaut«, sagte der Fette. »Der Regen hört auf.«
    Langgezogen, blau, spalteten einige Strahlen den Himmel, zwischen den grauen Wolkenbergen hallte immer noch wütend das Gewitter, und es hatte zu regnen aufgehört. Aber rund um den Sargento, die Guardias und Nieves troff der Urwald nach wie vor: heiße, dicke Tropfen rollten von den Bäumen, von den Rändern des Zeltes, von den sprossenden Wurzeln auf den kiesigen Strand zu, der sich in einen Sumpf verwandelt hatte, und der Schlamm sog sie auf und öffnete sich zu winzigen Kratern, schien zu brodeln. Das Motorboot wippte am Ufer.
    »Warten wir lieber, bis das Wasser sich verläuft, Sargento«, sagte der Lotse Nieves. »Bei dem Regen sind die Schnellen sicher wie verrückt.«
    »Selbstverständlich, Don Adrián, aber ich seh nicht ein, warum wir weiter wie Sardinen schlafen müssen«, sagte der Sargento. »Wir wollen das andere Zelt aufschlagen, Jungens. Wir können hier schlafen.«
    Die Unterhemden und die Hosen waren durchnäßt, die Stiefelschäfte waren überkrustet mit Lehm, die Haut glänzte. Sie rieben sich die Körper ab, wrangen die Kleider aus. Der Lotse Nieves planschte den Strand entlang, und als er das Boot erreichte, sah er aus wie eine in Teer getauchte Gestalt.
    »Lieber nackt«, sagte der Blonde. »Denn wir werden uns mit Dreck beschmieren.«
    Der Fette war ohne Unterhosen, und sie lachten über seine dicken Hinterbacken. Sie verließen das Zelt, der Knirps stolperte, plumpste auf das Gesäß, erhob sich fluchend. Hand in Hand durchwateten sie den Sumpf. Nieves reichte ihnen nacheinander die Moskitonetze, die Dosen, die Thermosflaschen, sie trugen die Bündel auf den Schultern bis zum Zelt, kamen zurück und wurden plötzlich übermütig: rannten hin und her, indem sie laut juchzten, tauchten im Schlamm unter, bewarfen einander mit Schlammbällen, mi sargento , von den Zwiebäcken wird keiner mehr trocken sein, da! fang den! vielleicht ist auch der Anis futsch, und dem Knirps reichte es jetzt aber mit der Selva, Dunkler, jetzt hing sie ihm zum Hals raus. Sie wuschen im Fluß die Schlammspritzer ab, schichteten die Bündel unter einem Baum auf und trieben gleich daneben die Zeltstangen in die Erde, spannten die Planen darüber und machten die Spannstricke an den Wurzeln fest, die braun und verrenkt aus dem Boden quollen.

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