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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Manchmal entdeckten sie unter einem Stein sich windende, rosafarbene Larven. Der Lotse Nieves bereitete ein Lagerfeuer vor.
    »Jetzt habt ihr das Zelt ausgerechnet unter dem Baum aufgeschlagen«, sagte der Sargento. »Da wird’s die ganze Nacht über Spinnen regnen.«
    Der Brennholzstapel ächzte, fing an zu schwelen, und gleich darauf leckte ein kleines blaues, ein rotesFlämmchen auf, zuckten Flammen hoch. Sie setzten sich um das Feuer. Die Zwiebäcke waren feucht, der Anis warm.
    »Das ersparen wir uns bestimmt nicht, mi sargento« , sagte der Dunkle. »In Nieva werden wir uns jetzt schön anschnauzen lassen müssen.«
    »War ja auch verrückt, so loszuziehen«, sagte der Blonde. »Der Teniente hätte das wissen müssen.«
    »Er hat gewußt, daß es umsonst war.« Der Sargento zuckte mit den Schultern. »Aber – na ja, ihr habt ja gesehen, wie sich die Madres und Don Fabio aufgeführt haben. Er hat uns losgeschickt, nur um ihnen gefällig zu sein, das ist alles.«
    »Ich bin nicht Guardia Civil geworden, um Kindermädchen zu spielen«, sagte der Knirps. »Kriegen Sie da keine Wut bei solchen Sachen, mi sargento?«
    Aber der Sargento war schon seit zehn Jahren dabei; er war abgehärtet, Knirps, ihn ärgerte schon längst nichts mehr. Er hatte eine Zigarette herausgeholt und hielt sie ans Feuer, um sie zu trocknen, indem er sie zwischen den Fingern hin-und herrollte.
    »Und warum bist eigentlich du zur Guardia Civil gegangen?« sagte der Fette. »Du kennst das noch nicht, bist noch feucht hinter den Ohren. Für uns sind diese Schindereien längst nichts Neues mehr. Du wirst’s auch noch lernen.«
    Das meinte er nicht, der Knirps war ein Jahr in Juliaca gewesen, und die Puna war viel schlimmer als der Dschungel, Fetter. Die Viecher und die Regengüssebrachten ihn nicht so auf wie das, daß man sie in den Urwald schickte, um Kindern nachzujagen. Geschah ihnen ganz recht, daß sie sie nicht gefunden hatten.
    »Wer weiß, vielleicht sind sie von selbst zurückgekommen, diese Rotznasen«, sagte der Dunkle. »Wer weiß, am Ende begegnen wir ihnen in Santa María de Nieva.«
    »Diese Gaunerinnen«, sagte der Blonde. »Imstand dazu wären sie. Ich würd ihnen eine Portion Prügel verabreichen.«
    Der Fette dagegen würde sie lieber streicheln, und er lachte, mi sargento: stimmte es etwa nicht, daß die älteren schon soweit waren? Hatten sie sie nicht gesehen, sonntags, wenn sie im Fluß badeten?
    »Du denkst immer nur an eines, Fetter«, sagte der Sargento. »Von morgens bis abends, immer hast du’s mit den Weibern.«
    »Aber so ist’s doch, mi sargento . Hier im Urwald entwickeln sie sich so schnell, mit elf Jahren sind sie schon so weit, daß man alles mit ihnen anstellen kann. Sie werden mir doch nicht sagen wollen, daß Sie sie nicht streicheln würden, wenn Sie die Gelegenheit hätten.«
    »Hör auf, sonst krieg ich Gelüste, Fetter«, gähnte der Dunkle. »Wo ich jetzt doch mit dem Knirps schlafen muß.«
    Der Lotse Nieves warf kleine Zweige aufs Feuer. Es wurde bereits dunkel. In der Ferne lag die Sonne inden letzten Strahlen, flatterte zwischen den Bäumen wie ein rötlicher Vogel, und der Fluß war wie eine starre Metallplatte. Im Röhricht am Ufer quakten die Frösche, und die Luft war gesättigt von Dampf, Feuchtigkeit, elektrischen Vibrationen. Mitunter schluckten die Flammen des Lagerfeuers ein Insekt, verschlangen es mit einem trockenen Zischen. Der Urwald schickte mit seinen Schatten die Dünste nächtlichen Keimens und die Musik der Grillen zu den Zelten.
    »Mir paßt das nicht, in Chicais bin ich beinahe krank geworden«, wiederholte der Knirps und verzog das Gesicht vor Ekel. »Erinnert ihr euch noch an die Alte mit den Zitzen? Es war nicht richtig, ihr so die Kinder wegzunehmen. Ich hab schon zweimal von ihnen geträumt.«
    »Und dabei haben sie dich nicht gekratzt wie mich«, sagte der Blonde und lachte; aber er wurde wieder ernst und fügte hinzu: »Es war zu ihrem Guten, Knirps. Damit sie sich anziehen, lernen und lesen und reden wie Christenmenschen.«
    »Oder möchtest du lieber, daß sie Nacktärsche bleiben?« sagte der Dunkle.
    »Und außerdem geben sie ihnen was zu essen, impfen sie, und sie schlafen in Betten«, sagte der Fette. »In Nieva gehts ihnen besser als je zuvor.«
    »Aber sie haben nicht ihre Leute«, sagte der Knirps. »Tät’s euch etwa nicht weh, eure Familie nicht mehr zu sehen?«
    Das war nicht dasselbe, Knirps, und der Fetteschüttelte mitleidig den Kopf: sie selber waren

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