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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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doch zivilisiert, die Heidenmädchen dagegen wußten nicht einmal, was das überhaupt hieß, Familie. Der Sargento führte die Zigarette an den Mund, steckte sie an, indem er sich über das Feuer beugte.
    »Außerdem tut’s ihnen sicher nur zu Anfang weh«, sagte der Blonde. »Und dafür sind die Nonnen da, die sind herzensgut.«
    »Wer weiß, was in der Mission alles passiert«, grunzte der Knirps. »Vielleicht sind das ganz Schlimme.«
    Halt, Knirps: er sollte sich den Mund auswaschen, ehe er über die Madres redete. Der Fette sah alles nach, aber eines bat er sich aus: mehr Respekt vor dem Glauben. Der Knirps erhob auch die Stimme: klar, er war Katholik, aber er redete schlecht, von wem es ihm Spaß machte, und überhaupt.
    »Und wenn ich ärgerlich werd?« sagte der Fette. »Und wenn ich dir eine lange?«
    »Keine Raufereien«, der Sargento stieß eine Rauchwolke aus.
    »Hör auf, den Schläger zu spielen, Fetter.«
    »Ich reagier auf Vernunft, nicht auf Drohungen, mi sargento «, sagte der Knirps. »Hab ich vielleicht nicht das Recht zu sagen, was ich denke?«
    »Hast du«, sagte der Sargento. »Und zum Teil stimm ich mit dir überein.«
    Der Knirps blickte die Guardias spöttisch an: na also, und dicht vor dem Gesicht des Fetten: wer hatte jetzt recht?
    »Läßt sich drüber streiten«, sagte der Sargento. »Ich glaub, wenn die Kleinen aus der Mission davongelaufen sind, dann weil sie sich nicht eingewöhnen können.«
    »Aber mi sargento , was hat das denn damit zu tun?« protestierte der Fette. »Haben Sie als Kind keine Streiche geliefert?«
    »Wär’s Ihnen auch lieber, wenn sie weiterhin Heidinnen blieben, mi sargento ?« sagte der Dunkle.
    »Sehr gut, daß man sie zivilisiert«, sagte der Sargento. »Nur: warum mit Gewalt?«
    »Was sollen die armen Nonnen denn sonst tun, mi sargento?« sagte der Blonde. »Sie wissen, wie die Nacktärsche sind. Die sagen, ja, ja, aber wenn’s soweit ist, daß sie ihre Töchter in die Mission schicken sollen, von wegen! und verschwunden sind sie.«
    »Und wenn sie sich nicht zivilisieren lassen wollen, was geht das uns an?« sagte der Knirps. »Jeder hat seine Gewohnheiten, und dich geht’s einen Scheißdreck an.«
    »Du hast Mitleid mit den Kleinen, weil du nicht weißt, wie sie in ihren Dörfern behandelt werden«, sagte der Dunkle. »Den Neugeborenen bohren sie Löcher in die Nase und in den Mund.«
    »Und wenn die Nacktärsche besoffen sind, vernaschen sie sie vor allen Leuten«, sagte der Blonde. »Ist ihnen ganz gleich, wie alt sie sind, und die erste, die ihnen über den Weg läuft, ihre Töchter, die Schwestern.«
    »Und die alten Weiber entjungfern die kleinen Mädchen mit der Hand«, sagte der Dunkle. »Und danach fressen sie die Häutchen, damit es ihnen Glück bringt. Stimmt’s, Fetter?«
    »Ja, mit der Hand«, sagte der Fette. »Und ich kenn mich da aus. Bis jetzt ist mir noch kein einziges Jüngferchen untergekommen. Und ich hab auch Heidenweiber ausprobiert.«
    Der Sargento winkte ab: sie fielen alle auf einmal über den Knirps her, und das galt nicht.
    »Nur weil Sie auf seiner Seite sind, mi sargento «, sagte der Blonde.
    »Die Mädchen tun mir eben leid«, bekannte der Sargento.
    »Alle: die in der Mission, weil sie sicher Heimweh nach ihren Leuten haben. Und die andern, weil sie in ihren Dörfern so elend leben müssen.«
    »Man merkt, daß Sie Piuraner sind, mi sargento «, sagte der Dunkle. »Da wo Sie herkommen, sind alle Leute sentimental.«
    »Gereicht uns zur Ehre«, sagte der Sargento. »Und wehe dem, der auf Piura schimpft.«
    »Sentimental und eingebildet auf ihre Heimat«, sagte der Dunkle. »Aber darin übertreffen die Arequipeños die Piuraner noch, mi sargento .«
    Es war schon Nacht, und das Feuer sprühte Funken, der Lotse Nieves warf noch immer Zweige und trockene Blätter darauf. Die Thermosflasche mit dem Anisschnaps ging von Hand zu Hand, und die Guardiashatten Zigaretten angesteckt. Alle schwitzten, und in ihren Augen spiegelten sich winzig klein, tanzend die Flammen des Feuers.
    »Aber sie sind das Reinlichste, was es gibt«, sagte der Knirps.
    »Und die Nonnen dagegen: habt ihr die auf der Reise nach Chicais etwa einmal baden sehen?«
    Der Fette verschluckte sich: wieder mit den Nonnen? begann heftig zu husten, carajo! fing er schon wieder von den Madres an?
    »Beschimpfen tust du mich, aber antworten kannst du nicht«, sagte der Knirps. »Stimmt’s, was ich sage, oder stimmt’s nicht?«
    »Wie blöd du bist«, sagte der

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