Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
waren die Straßen, die unter einer senkrecht stehenden Sonne flimmerten, vollgepfropft mit Piuranernund Fremden. Sie war nicht auf der Plaza, weder die Bettler noch Jacinto hatten sie gesehen, und Juana Baura kehrte in die Gallinacera zurück: ihre Hände trieben abwechselnd das Tier an und rieben die Lenden. Sie begann die Wäsche zum Trocknen aufzuhängen, ging, als sie erst halb fertig war, sich auf ihre Strohmatratze legen. Als sie die Augen wieder öffnete, fiel schon der Sand. Brummend watschelte sie auf den Vorplatz hinaus: einige Wäschestücke waren bereits verschmutzt. Sie spannte die Plane über die Wäscheleinen, hängte den Rest der Wäsche auf, kehrte in ihre Bude zurück und suchte unter der Matratze, bis sie die Medizin fand. Sie tränkte einen Lumpen mit der Flüssigkeit, hob den Rock hoch und rieb sich energisch die Hüften und den Bauch ein. Die Medizin roch nach Pisse und Kotze, Juana hielt sich die Nase zu und wartete darauf, daß die Haut trockne. Sie bereitete sich eine Gemüsesuppe zu, und als sie gerade aß, klopfte es an der Tür. Es war nicht Antonia, sondern ein Dienstmädchen mit einem Korb Wäsche. In der Tür stehend, unterhielten sie sich. Es rieselte ganz sanft, die Sandkörnchen waren nicht zu erkennen, man fühlte sie im Gesicht und auf den Armen wie Spinnenbeinchen. Juana redete von Krämpfen, von den schlechten Arzneien, und das Dienstmädchen protestiert, er soll dir eine andere geben oder das Geld rausrücken. Dann ging sie, dicht an den Hauswänden entlang, unter den Dachvorsprüngen. Allein, auf der Matratze hockend, redete Juana noch weiter, am Sonntaggeh ich hin zu dir, meinst du, weil ich alt bin, kannst du mich anschmieren? von deiner Medizin zucken mir die Lenden, Dieb. Dann streckte sie sich aus, und als sie aufwachte, war es dunkel geworden. Sie zündete eine Kerze an, Antonia war immer noch nicht gekommen. Sie trat auf den Vorplatz hinaus, der Esel stellte die Ohren auf, iahte. Juana packte ein Tuch und warf es sich, schon auf der Straße, über die Schultern: es war schwarze Nacht, durch die Fenster der Gallinacera sah man Kerzenständer, Lampen, Herdfeuer. Sie schritt rasch aus, die Haare waren wirr, und beim Markt, von einer Haustür aus, sagte jemand, ein Gespenst. Sie trottete dahin, du gibst mir eine andere Arznei gegen die Schläfrigkeit, die mich alle fünf Minuten überfällt, oder gibst mir mein Geld zurück. Wenige Menschen waren auf der Plaza. Sie erkundigte sich bei allen, und niemand wußte etwas. Der Sand rieselte jetzt dicht, sichtbar, und Juana hielt sich das Tuch vor Mund und Nase. Sie lief durch viele Straßen, klopfte an viele Türen, wiederholte zwanzigmal dieselbe Frage, und als sie wieder auf der Plaza de Armas war, kam sie nur sehr mühsam voran, stützte sich an den Mauern. Zwei Männer mit Strohhüten unterhielten sich auf einer Bank. Sie fragte, wo ist Antonia, und der Doktor Pedro Zevallos, guten Abend, Doña Juana, was machen Sie denn zu dieser Stunde auf der Straße? Und der andere, mit der Stimme eines Fremden, der Sand fällt so scharf, daß er uns noch den Schädel aufreißt. Doktor Zevallos nahm seinenHut ab, reichte ihn Juana, und sie setzte ihn auf; er war zu groß, fiel ihr über die Ohren. Der Doktor sagte, sie kann vor Müdigkeit nicht reden, setzen Sie sich einen Augenblick, Doña Juana, erzählen Sie, und sie, wo ist Antonia? Die beiden Männer sahen sich an, und der andere sagte, man sollte sie nach Haus bringen, und der Doktor, ja, ich weiß wohin, in die Gallinacera. Sie nahmen sie bei den Armen und trugen sie fast und Juana Baura keuchte unter dem Hut hervor, die Blinde, haben Sie sie gesehen? und Doktor Zevallos, beruhigen Sie sich, Doña Juana, sobald wir da sind, erzählen Sie’s uns, und der andere, was stinkt denn da so, und Doktor Zevallos, das Mittel des Kurpfuschers, arme Alte.
Julio Reátegui wischt sich die Stirn ab, schaut den Dolmetscher an, er hatte sich gegen die Obrigkeit vergangen, das war schlimm und
kam teuer zu stehen: übersetz ihm das. Die Lichtung des Urakusadorfs ist klein und dreieckig, der Urwald umfängt sie eng, Zweige und Lianen wiegen sich
über den Cabañas, die auf Ponapfählen ruhen und oben in verbeulten Rundungen wie Entenhintern enden: der Dolmetscher röchelt und gestikuliert, Jum hört
aufmerksam zu. Etwa zwanzig gleich aussehende Hütten sind da: Dächer aus Yarina, Wände aus Chontastreifen, von Binsen zusammengehalten, grob in Baumstämme
gehauene Stufen geben Treppen ab.
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