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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Dolmetscher: beleidigen, Señor, du Teufel sein, sagen, Señor.
    Auf dem Gang war niemand, nur der Krach aus dem Salon, die von der Decke hängende Lampe war in blaues Zellophan eingehüllt, und Licht wie früh am Morgen badete die Tapeten und die Reihe der Türen. Josefino näherte sich der ersten und horchte, der zweiten, hinter der dritten keuchte jemand, ächzte leicht ein Bett, Josefino klopfte mit den Fingerknöcheln, und die Stimme der Selvática, was ist los? und eine unbekannte männliche Stimme, was ist los? Er lief schnell bis zum Ende des Ganges, und dort war es nicht mehr Morgengrauen, sondern Dämmerung. Still blieb er stehen, im diskreten Halbdunkel verborgen, und dann knarrte ein Schloß, eine Flut schwarzer Haare ergoß sich in das blaue Licht, eine Hand schob sie zur Seite wie eine Gardine, grüne Augen funkelten. Josefino zeigte sich, machte ein Zeichen. Einige Minuten später kam ein Mann in Hemdsärmeln heraus, verschwand trällernd die Treppe hinunter. Josefino ging den Korridor zurück und betrat das Zimmer: die Selvática knöpfte gerade eine gelbe Bluse zu.
    »Lituma ist heute nachmittag angekommen«, sagte Josefino so, als erteilte er einen Befehl. »Er ist unten, mit den León-Brüdern.«
    Eine plötzliche Erschütterung ging durch den Körper der Selvática, ihre Finger, zwischen den Knopflöchern steckend, hielten inne. Aber sie drehte sich nicht um und sagte auch nichts.
    »Hab keine Angst«, sagte Josefino. »Er tut dir nichts. Er weiß es schon, und es ist ihm ganz egal. Komm, wir gehen zusammen runter.«
    Sie sagte immer noch nichts und fuhr fort, die Bluse zuzuknöpfen, aber jetzt überaus langsam, indem sie ungeschickt an jedem Knopf drehte, ehe sie ihn ins Loch schob, so als hätte sie vor Kälte klamme Finger. Und doch, ihr ganzes Gesicht schwitzte, und feuchte Flecken färbten die Bluse im Rücken und unter den Achseln. Das Zimmer war winzig, ohne Fenster, von einer einzelnen rötlichen Glühbirne beleuchtet, und die Wellen des Blechdachs streiften Josefinos Kopf. Die Selvática schlüpfte in einen kremfarbenen Rock, zerrte zuerst am Reißverschluß, ehe der ihr gehorchte. Josefino bückte sich, nahm vom Boden ein Paar weiße Schuhe mit hohen Absätzen auf, reichte sie der Selvática.
    »Du schwitzt vor Angst«, sagte er. »Wisch dir das Gesicht ab. Brauchst keine Angst zu haben.«
    Er drehte sich um, schloß die Tür, und als er sich ihr wieder zuwandte, sah ihm die Selvática in die Augen, ohne die Wimpern zu bewegen, die Lippen halb geöffnet, die Nasenflügel flatterten hastig, als bereitete es ihr Mühe zu atmen oder als stiegen ihr unerwartet übelriechende Dünste in die Nase.
    »Ist er betrunken?« sagte sie dann mit furchtsamer und zögernder Stimme, während sie sich mit einem Waschlappen wie wütend den Mund abrieb.
    »Ein wenig«, sagte Josefino. »Wir haben bei den Leóns seine Rückkehr gefeiert. Guten Pisco hat er aus Lima mitgebracht.«
    Sie traten hinaus, und auf dem Gang ging die Selváticavorsichtig, stützte sich mit einer Hand an der Wand.
    »Man möcht’s nicht glauben, du hast dich noch immer nicht an die hohen Absätze gewöhnt«, sagte Josefino. »Oder ist’s wegen der Aufregung, Selvática?«
    Sie antwortete nicht. Im fahlen blauen Licht glichen ihre geraden und schwellenden Lippen einer geballten Faust, und ihre Gesichtszüge waren hart und metallisch. Sie gingen die Treppe hinunter, und Schwaden lauwarmen Rauches und Alkoholdunst kamen ihnen entgegen, das Licht wurde schwächer, und als vor ihren Füßen der Tanzboden auftauchte, düster, lärmend und überfüllt, blieb die Selvática stehen, hing fast über dem Geländer, und ihre Augen waren aufgerissen und irrten mit einem wilden Glanz über die undeutlichen Gestalten hin.
    Josefino deutete auf die Bar: »Bei der Theke, die, die sich zuprosten. Du erkennst ihn nicht, er hat sehr abgenommen. Zwischen Don Anselmo und den Leóns, der im glänzenden Anzug.«
    Steif, sich ans Geländer klammernd, stand die Selvática, das Gesicht halb vom Haar verdeckt, und ängstliches und pfeifendes Atmen bewegte ihre Brust. Josefino nahm sie beim Arm, sie verschwanden zwischen den sich umfaßt haltenden Paaren, und es war, als tauchten sie in schlammiges Wasser und müßten durch eine den Atem verschlagende Woge schwitzenden Fleisches, Gestanks und nicht bestimmbarer Geräusche waten. Die Trommel und die Tschinellendes Bullen spielten einen Corrido, und mitunter mischte sich die Gitarre des Jünglings Alejandro ein

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