Das gruene Zelt
Und das Ganze dauerte entsetzlich lange.
Sie fragten viel nach Ilja. Nach seiner Arbeit. Er war einigermaßen abgesichert durch die Bescheinigung, dass er als Sekretär arbeitete. Inzwischen bereits bei seinem dritten Arbeitgeber. Nach seinem ersten Schwiegervater, dem Agrarwissenschaftler und Akademiemitglied, war er bei einem launischen alten Schriftsteller angestellt gewesen, der den Vertrag mit ihm ein halbes Jahr später wieder gekündigt hatte. Der jetzige war ein anständiger Mann, ebenfalls ein Schriftsteller, aber er lebte in Leningrad. Für den Fall des Falles hatten sie abgesprochen, Ilja recherchiere für ihn in Moskauer Bibliotheken.
Auf alle Fragen zu Ilja reagierte Olga mit dem schwer zu widerlegenden Satz: Das weiß ich nicht, das hat mein Mann mir nicht erzählt. Sie entwarf das Bild einer fügsamen, unterwürfigen Ehefrau.
»Denken Sie nach, Olga Afanassjewna, denken Sie nach. Vielleicht sollten wir uns lieber nicht streiten. Ich bin sicher, Ihre Eltern werden enttäuscht sein. Wir beide haben uns heute nur unterhalten, uns kennengelernt. Die Bücher bleiben hier, das versteht sich von selbst. Es sind mehr als genug – fünf Jahre sind durchaus drin. Hier, bitte, die Liste. Ja, ja, Sie haben schon unterschrieben. Denken Sie über alles genau nach, wir treffen uns in nächster Zeit noch einmal, wir haben noch viel zu besprechen. Uns ist klar, dass Ihr Mann Sie in diese antisowjetische Tätigkeit hineingezogen hat. Sie müssen nachdenken, sich entscheiden, auf wessen Seite Sie stehen … Unterschreiben Sie hier. Dass dieses Gespräch unter uns bleibt.«
Wie es aussah, ging das Ganze nun zu Ende. Auf der Uhr im Büro war es Viertel vor elf.
Alexandrow unterschrieb einen Zettel und reichte ihn einer Beamtin, die schon eine ganze Weile im Raum gesessen hatte. Es war der Passierschein. Der Flur war ein wahres Labyrinth, wand sich in merkwürdigen Biegungen, und die Länge des Weges stand in keinem Verhältnis zu den eigentlich geringen Außenmaßen des Hauses.
Als Olga draußen war, wollte sie ein Taxi nehmen. Doch kein einziger Wagen hielt an, also schleppte sie sich zu Fuß über den ganzen Dsershinski-Platz zur Metro.
Ihr Zuhause war durchwühlt, verwüstet und geschändet. Wie hatten sie es in der kurzen Zeit nur geschafft, den Anstand und die Würde ihrer gepflegten Wohnung zu zerstören? Auf dem Parkett Schuhabdrücke, Bücherhaufen, die zusammengelegte Generalsunterwäsche, einfache Unterhosen und Hemden, beinahe seit dem Krieg sorgfältig aufbewahrt, war nachlässig über den ganzen Flur verteilt. Gut, dass ihre Mutter schon die dritte Nacht auf der Datscha war und das alles nicht sah.
Ilja war nicht da. Auf dem Tisch lag ein Zettel von der Haushaltshilfe Faina Iwanowna: »Olga! Ich hab Kostja von der Schule abgeholt und zu mir mitgenommen. Er übernachtet bei mir, morgen früh bringe ich ihn zur Schule. Ruf an, wenn du wieder da bist. Faina.«
So eine Mutter wie Faina müsste man haben – nie irgendwelche Fragen, und immer macht sie genau das, was nötig ist. Sie hatte Olga ohne ein einziges überflüssiges Wort großgezogen und half ihr mit Kostja wie niemand sonst auf der Welt.
Olga rief Faina an.
»Faina, du bist immer wieder meine Rettung. Mir fehlen einfach die Worte.«
Faina brummte und schimpfte ein bisschen und sagte, wenn Olga sich weiter so benehmen würde, dann werde sie weggehen.
»Du solltest wenigstens mit dem Kind Mitleid haben!«, zischte sie zum Schluss und legte auf. Ein Goldstück, ein wahres Goldstück.
Nach kurzem Schwanken rief Olga bei Maria Fjodorowna an, Iljas Mutter. Sie wählte die Nummer, aber da nicht gleich jemand dranging, legte sie wieder auf. Ihre Müdigkeit war größer als ihre Angst. Sie sank aufs Sofa und schlief augenblicklich ein. Nach einer Viertelstunde wachte sie wieder auf, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Der Schlaf war wie weggeblasen.
Um halb drei in der Nacht begann sie aufzuräumen. Am Morgen herrschte wieder Ordnung.
Was wird jetzt mit Ilja, fragte sie sich gequält. Sie rief Galja auf ihrer Arbeitsstelle an: Wir müssen uns dringend treffen. Eine Stunde später saß Galja in Olgas Küche.
»Galja, wir hatten eine Haussuchung. Ist dir klar, dass die ganze Geschichte mit der Schreibmaschine angefangen hat?«, begann Olga, aber Poluschka zitterte bereits am ganzen Leib und war tränenüberströmt. »Sei ehrlich, hast du deinem Mann erzählt, was du da abtippst? Dass du die Schreibmaschine von mir hast?«
Poluschka schwor, dass
Weitere Kostenlose Bücher