das gutenberg-komplott
bewunderte er Gutenberg; dessen geistige Bewe g lichkeit; seine Fähigkeit, aus sich heraus Ideen zu schöpfen, die vor ihm noch keiner gedacht hat. Johannes ist ein erstaunlicher, ein außergewöhnlicher Mann.«
»Sie kennen ihn gut?«
»Etwas«, sagte sie nur und lächelte eigentümlich. »Er war früher, noch in Straßburg, manchmal bei uns zu Gast. Er kann andere Menschen für seine Ideen begeistern. So findet er auch immer Geldgeber. Fust hat ihm eine enorme Summe geborgt, trotz der schlechten Wirtschaftslage. Als mein Mann versuchte, von Fust eine vergleichsweise lächerliche Summe zu beko m men, hat er ihn zum Teufel gejagt.«
»Wo habt Ihr Euren Mann kennen gelernt?«, fragte Thomas.
»In Augsburg. Er war Geselle und machte die übliche Wa n derschaft. Meine Eltern haben mir von der Heirat zunächst a b geraten. Aber schließlich habe ich doch meinen Willen b e kommen.«
Thomas kam es vor, als hätte sie gern noch »leider« hinzug e fügt. Ihre Eltern hielten die Verbindung für nicht standesgemäß, sofern Thomas ihre Herkunft richtig einschätzte. Dass eine Frau trotzdem ihren Willen durchsetzte, geschah selten. Wie lange mochten sie mittlerweile verheiratet sein? Zwanzig Jahre? Fünfundzwanzig? Und aus der einstigen Liebesheirat war eine Ehe geworden, die nur noch der Form halber existierte; eine Zweckgemeinschaft, der Kinder zuliebe und weil die Kirche Trennungen verbot. In Wirklichkeit aber hatten sich die ehem a ligen Partner nichts mehr zu sagen. Gab sie ihm die Schuld an ihrem Abstieg? Verachtete sie ihn?
»Will Euer Mann Gutenberg schaden? Traut Ihr ihm das zu?«
Jetzt betrachtete er ihr Gesicht sehr aufmerksam, aber sie sagte nur: »Ja. Ich traue es ihm zu!«
Offenbar hatte sie einen Punkt erreicht, an dem sie es sinnlos fand, sich zu verstellen.
»Traut Ihr ihm auch Gewalt zu?«
Sie nickte.
»Jemand will hinter das Geheimnis von Gutenbergs Erfi n dung kommen«, sagte Thomas.
»Haben die Morde damit zu tun?«, fragte sie.
»Sehr wahrscheinlich.«
Sie machte ein nachdenkliches Gesicht, denn sie hatte ve r standen. »Mord traue ich ihm allerdings nicht zu«, sagte sie.
»Ich glaube, dass es einen Mann gibt, der ein Komplott g e gen Gutenberg organisiert; der andere für sich arbeiten lässt; er hat bezahlte Helfer, und er hat Leute fürs Grobe.«
»Ich weiß nichts Konkretes«, sagte sie. »Wenn mein Mann in Verbrechen verwickelt ist, habe ich damit nichts zu tun. Ich werde nicht für ihn lügen. Ich bin nicht seine Komplizin.«
»Was fiel Euch auf?«
»Zum Beispiel das Geld. Er hatte plötzlich hundert Gulden. ›Wo kommen die her?‹, fragte ich. ›Ein großer Auftrag .‹ sagte er, ›das ist der Vorsch u ss . ‹ ›Und wer ist der Auftraggeber?‹ Da r über machte er lediglich vage Andeutungen. Ein reicher Ki r chenmann angeblich. Ich habe sofort gemerkt, dass er lügt. H a be auch noch keinen getroffen, der im Voraus bezahlt. Und dann diese komischen Fragen …«
Thomas nickte ihr aufmunternd zu, und sie fuhr fort: »Ob ich mir vorstellen könne, Mainz zu verlassen? ›Wohin?‹, fra g te ich. Auch da blieb er wieder sehr unbestimmt. ›Richtung Süden .‹ sagte er nur. Augsburg? Nein. Ich verstand nicht, worauf er hi n auswollte, und schließlich sagte er, das habe noch Zeit. Was er sich davon verspreche, hakte ich nach. – Ein besseres Leben. Wir könnten alle Sorgen hinter uns la s sen. Ich wollte wissen, weshalb er so optimistisch sei. Das könne er noch nicht sagen. Die ganze Zeit habe ich mich g e fragt, was dahinter steckt. Aber j etzt brauche ich nur eins und eins zusammenz u zählen.«
Sie unternahm nicht den geringsten Versuch, ihren Mann in Schutz zu nehmen. Hatte sie keine Angst, mit den Kindern a l lein dazustehen, falls ihm etwas geschah? Jeder kannte das Schicksal der Witwen, die mit ihren Kindern in Armut lebten.
»Mir fiel auf, dass er die letzten Tage sehr aufgeregt war. Er bereitete etwas vor. Ich spürte das.«
»Sind Leute zu ihm gekommen?«
»Ist mir nicht aufgefallen. Aber er war häufiger weg als sonst. Als dann die Morde geschahen, hatte ich gleich so eine Ahnung.«
»Hat er Freunde?«
»Nein. Aber letztens war ein Mann bei ihm – das könnte ein Italiener gewesen sein!«
39.
E
s war bereits seit Stunden dunkel. Gutenberg und Th o mas ha t ten das Anwesen abgeriegelt und sich in die Werkstatt zurüc k gezogen.
»Hört Ihr das Gejohle?«, fragte Gutenberg und Thomas nic k te. »Sie verbrennen jetzt die Hexe. Es ist ein schönes Scha
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