das gutenberg-komplott
wohlhabende Familie: Die Tür zur guten Stube stand offen. Sie war mit Holz vertäfelt. Er sah einen Kamin, ein Spinnrad, einen großen Tisch, auf dem ein Kartenspiel ausg e breitet lag, und ein kleines Kind saß auf dem Boden und spielte mit einem Reif. Aus der Küche, deren Tür angelehnt war, drang der Geruch von Gemüse und gekochtem Fleisch.
»Er war zu Hause«, erwiderte sie knapp.
»Wann ist er nach Hause gekommen?«
»Es war schon dunkel.«
»Etwas genauer wisst Ihr das nicht?«
»Nein.«
»Was hat er gemacht, als er nach Hause kam?«
»Wir haben zusammen gegessen.«
»Er hat das Haus nicht mehr verlassen?«
»Nein. Er war müde und wir sind früh zu Bett. – Und jetzt würde ich mich gern um meine Arbeit kümmern! Ihr habt keine Vorstellung davon, wie viel Dreck sich in einem Haus ansa m melt.«
Thomas verabschiedete sich und trat vor die Tür, die hinter ihm ziemlich heftig ins Schloss fiel. Der Besuch war au f schlussreich gewesen. Er hatte sie überrascht, und die Fragen waren für sie unvorbereitet gekommen. Er hatte ihr Gesicht g e nau beobachtet, und er glaubte, dass sie das Messer kannte. Die Frage nach Klara Roth hatte sie verunsichert, und sie hatte nur mit Mühe die Fassung gewahrt.
Schräg gegenüber vom Haus des Baumeisters befand sich der Schusterladen mit einem metallenen Schild an der Hau s wand, das einen Stiefel darstellte. Einer Eingebung folgend, überque r te Thomas die schmale Gasse, öffnete die Tür und betrat die wi n zige Werkstatt. Durch eine mit Eisblumen übersäte Gla s scheibe fiel spärliches Licht. Eine kleine, offene Feue r stelle heizte den Raum notdürftig. Beim Fenster befand sich ein A r beitstisch, an dem auf einem Schemel ein Mann mit weißen Haaren saß, e i nen Schusterhammer in der Hand; als Thomas den Laden betrat, schaute er kurz auf und fuhr dann fort, ein Stück Leder auf eine Holzleiste zu heften.
»Ich brauche Stiefel«, sagte Thomas.
»Setzt Euch!« Sie besprachen Details, ehe Thomas sein e i gentliches Anliegen vorbrachte: »Ihr habt von dem Mord g e hört?«
»Die Leute reden von nichts anderem.« Der alte Mann kniete vor Thomas und übertrug mit einem Kohlestück die Umrisse des Fußes auf einen verschlissenen Pergamentstreifen. »Ihr seid der neue Richter, nicht wahr?«
»Sicher habt Ihr gehört, dass Klara Roth erstochen wurde – und zwar mit einem ganz besonderen Messer, das einen Griff aus Elfenbein hat und auf dem die heilige Barbara abgebildet ist.«
»Was Ihr nicht sagt!«
»Ich muss herausfinden, wer der Besitzer war.«
»Darüber weiß ich gar nichts. Hat Metz was mit der Sache zu tun?«
»Ich wollte mit ihm reden.«
»Dann müsst Ihr zum Dom. Dort arbeitet er.«
»Kennt Ihr Metz schon lange?«
»Seit er nach Mainz kam. Früher hat er in Speyer und in Worms gearbeitet, ebenfalls am Dom.«
»Er hat eine bemerkenswerte Frau.«
Der Schuster zwinkerte ihm zu. »Ihr Vater war Offizier.«
»Streiten die beiden häufig?«
»Oh nein, Friedrich gibt immer klein bei.«
»Wie gut kennt Ihr Metz?«
Der alte Mann stand mühsam auf. »Wir sind Nachbarn.«
»Und Ihr wohnt hier im Haus?«
»Es gehört mir. – Ihr könnt Euch das Leder selbst auss u chen.« Er zeigte Thomas verschiedene Stücke, die er prüfend in die Hand nahm. Ein Werkzeugkasten an der Wand enthielt Hämmer, Zangen, Ahlen, Messer und andere Gerätschaften, und über den Raum verstreut lagen Leisten, Lederstücke, So h len. Ein Schild neben der Tür zeigte das Wappen der Schuhm a che r zunft.
»Wisst Ihr, ob er eine Geliebte hatte?«, fragte Thomas.
»Das geht mich doch nichts an.«
»Ich ermittele in einem Mordfall.«
»Aber was hat denn Friedrich mit der Geschichte zu tun?«
»Verbrachte er seine Abende zu Hause bei der Familie?«
»Das weiß ich nicht.« Der Alte ließ seinen Blick Hilfe s u chend durch die Werkstatt schweifen.
»Wenn Ihr hier im Haus wohnt, wie Ihr mir gerade erzählt habt, dann können Euch die Gewohnheiten Eurer Nachbarn nicht entgehen. Ihr wisst von jedem, wann er kommt und geht!«
»Ich mische mich nicht in fremde Angelegenheiten!«
»Wenn Ihr mir etwas verheimlicht, werde ich Euch eine Me n ge Ärger machen. Dann bekommt Ihr eine Vorladung.« Der Schuster schaute ihn ängstlich an, und Thomas kam sich sch ä big vor; aber er rannte überall gegen eine Mauer und verlor die G e duld.
»Ich glaube, dass er oft erst spät nach Hause kommt.« Er fl ü sterte fast.
»Was heißt: Ihr glaubt?«
»In meinem Alter schläft man nicht
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