das gutenberg-komplott
Sache wird rätselhaft«, sagte Thomas. »Mit dem Begriff ›Schwarze Kunst‹ würde ich Magie und Teufelskram verbinden. Nicht weil ich selbst daran glaube – aber die meisten Menschen, die ich kenne, sind abergläubisch.« Er verkniff sich die Beme r kung, dass die Kirche manchmal ein Interesse daran hatte, den Abe r glauben zu schüren. »Hat Eure Schwester sich mit Magie und ähnlichen Dingen beschäftigt?«
Katharina blätterte weiter im Buch und betrachtete die Sk e lette und ihre Musikkünste: »Viele Leute haben sie für eine H e xe gehalten. Natürlich konnte sie genauso wenig zaubern wie Ihr oder ich. Aber sie hat was von Kräutern verstanden und ihre Wirkungen studiert. Sie kannte die Schriften der Hildegard von Bingen, und es ging ihr darum, Kranken zu helfen, sie von i h ren Gebrechen zu heilen. Die meisten Leute setzen Naturkenn t nis mit Hexerei gleich …«
Während Katharina sprach, schaute Thomas hinüber zur Le i che. Er nahm die Kerze vom Tisch, trug sie hinüber zur Toten und kniete neben ihr auf den Boden. Er hatte die Tatwaffe i n spiziert und die Gegenstände im Wohnraum, aber noch nicht die Leiche selbst. Klara Roth trug ein dünnes, gelblichweißes Kleid aus Leinen, auf dem sich ein großer Blutfleck abzeichn e te. Er zerriss das Kleidungsstück und suchte nach Spuren von Mis s handlung. Das Gesicht der Toten wirkte, als schlafe sie. Er konnte nichts entdecken und drehte sie auf die Seite. Da sah er zwei blaue Flecken unterhalb der rechten Brust: Vermutlich hatte sie dorthin Schläge bekommen. Thomas fiel die eigenart i ge Haltung des Kopfes und Nackens auf. Er betastete die Hal s wirbelsäule und schaute zu Katharina auf. »Ihr Genick ist g e brochen«, sagte er. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das vom Sturz gekommen ist.«
Katharina kam zögerlich näher. »Was soll das heißen?«
Er untersuchte den Hals und entdeckte eine blutunterlaufene Stelle. »Ich glaube, hier hat sie einen Schlag hinbekommen.«
Er blickte sich im Zimmer um, konnte aber nichts entdecken, was dafür in Frage kam. »Ich kann es nicht beweisen, aber ich halte es für möglich, dass sie an diesem Schlag gestorben ist.«
»Aber das würde bedeuten, dass sie schon tot war, bevor man sie erstach! Warum soll man eine Tote erstechen?«
»Es macht nur dann Sinn, wenn meine Vermutung von vo r hin zutrifft, dass der Täter uns irreführen will.« Thomas stand auf. »Nehmen wir an, der Mörder stammt aus der Stadt und weiß von den Gerüchten um die Räuberbande. Er nutzt das aus und täuscht einen Raubmord vor. Vielleicht kennt er Busch und weiß, dass der sich nicht die Mühe machen wird, die Leiche zu untersuchen, weil seine Meinung sowieso schon feststeht. Busch denkt nicht daran, seine eigene Meinung zu hinterfr a gen.«
Es war im Moment aber noch zu früh, Schlussfolgerungen zu ziehen. Thomas dachte an seinen Mentor in Köln, der ihn g e lehrt hatte, dass es wichtig ist, sich von den Lebensumständen eines Mordopfers ein detailliertes Bild zu machen. »Sammele Fakten, so viel du kannst!«, hatte er immer gesagt. »Halte nichts für unbrauchbar! Der Teufel versteckt sich in den kleinen Di n gen.«
Thomas legte eine Decke über die Leiche, und sie gingen z u rück zum Feuer. »Erzählt mir von Eurer Familie!«, bat er K a tharina.
»Was wollt Ihr wissen?«, fragte sie.
Er spürte, dass es ihr unangenehm war, darüber zu sprechen. »Mich interessiert vor allem, warum Eure Schwester das E l ternhaus verlassen hat, um hier allein zu wohnen. Das ist sehr ungewöhnlich für eine junge Frau!«
Katharina zuckte mit den Schultern und zögerte, ehe sie auf seine Frage einging. »Klara war sehr eigen, schon als Kind, und mit den Jahren wurde sie immer aufsässiger. Sie konnte sich nie mit der Aufgabe abfinden, die einer Frau gewöhnlich zugedacht wird. Sie hätte es als schrecklich empfunden, ihr Leben als Hausfrau und Mutter zu verbringen. Sie sei nicht bereit, sich einem Mann zu unterwerfen, hat sie einmal gesagt, als wir über das Thema sprachen.«
»Habt Ihr häufiger darüber gesprochen?«
Katharina lächelte. »In dem Punkt ähnelten wir uns, und das verband uns auch am stärksten. Sie konnte sich zum Beispiel furchtbar über Predigten aufregen, die wir zu dem Thema hö r ten. ›Das Weib sei dem Mann untertan‹ und so weiter.«
Das war ein Lieblingsthema der Priester, und Thomas hatte Ähnliches von der Kanzel oft genug selbst gehört. »Gab es da r über Streit mit dem Vater?«, fragte er.
»Nicht zu
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