das gutenberg-komplott
mehr so gut. Ich liege oft wach, und dann höre ich Geräusche; Schritte, das Knarren einer Tür …«
»Weiter!«, sagte Thomas.
»Manchmal höre ich jemanden spät durch die Gasse ko m men. Dann wird in der Nähe eine Tür auf- und wieder zug e macht.«
»Ihr glaubt, dass es der Baumeister ist?«
»Einmal bin ich aufgestanden und habe einen Blick nach draußen geworfen.«
»Da kam er die Straße lang?«
»Der Friedrich, ja!«
»War es sehr spät?«
»Schon gegen Morgen.«
».Was glaubt Ihr, woher er kam?«
»Das weiß ich nun beim besten Willen nicht.«
»Aber vielleicht habt Ihr eine Vermutung?«
»Er war nüchtern, hat nicht geschwankt.«
»War er bei einer Frau?«
»Und wenn schon! Er ist doch nur ein Mensch …«
»Hatte er ein Verhältnis mit Klara Roth?«
»Woher soll ich das wissen!« Die Art, wie der Alte sprach, machte Thomas stutzig. Er war in Köln oft bei Verhören dabei gewesen und hatte ein Gespür dafür entwickelt, wann jemand die Wahrheit sagte und wann er etwas verschwieg. Thomas war überzeugt, dass der Schuster mehr wusste, als er preisgab.
»Ihr sagt mir jetzt, was Ihr wisst, oder ich lade Euch ans G e richt!«
Der Schuster hielt abwehrend die knochigen, wie mit Leder überzogenen Hände vor sich. »Was habe ich mit der ganzen Sache zu tun? Er hat irgendeine Weibergeschichte, das ist schon richtig. Er hat ein paar Andeutungen gemacht, so unter Mä n nern; weil er weiß, dass ich früher kein Engel war. Nichts Ko n kretes. Wahrscheinlich hat er eine Geliebte. Ob das die Klara war oder nicht: keine Ahnung!«
»Was für Andeutungen hat er gemacht?«
»Wir machten ein paar belanglose Scherze, das ist alles. Ich solle froh sein, dass ich nicht in seiner Haut stecke, hat er g e sagt, oft genug gehe er mit wackligen Knien zur Arbeit und wisse nicht, wie er den Tag überstehen soll! ›Nimmt deine Alte dich so zur Brust?‹, habe ich gefragt. Da hat er gelacht und g e sagt: ›Die Frau, von der ich rede, hat den Teufel im Leib.‹ Da könnt Ihr Euch nun selber einen Reim drauf machen, denn das ist wirklich alles, was ich weiß. Und ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr mich endlich in Ruhe lasst.«
»Ihr wisst noch mehr«, sagte Thomas. »Ich weiß doch, wie das läuft! Eure Neugierde war geweckt, Ihr habt ihn scharf be o bachtet, auf jedes Detail geachtet. Was ist Euch aufgefallen? Verschweigt nichts! Ich kann sehr unangenehm werden!« Es war ein Versuch. Thomas war sich seiner Sache nicht sicher.
»In meinem Beruf schaut man den Leuten immer auf die Fü ße«, erwiderte der Alte nach einer Weile widerstrebend.
»Was habt Ihr also bemerkt?«
»Dass Friedrichs Schuhe oft verdreckt sind. Selbst wenn hier in der Stadt die Gassen und Plätze trocken waren, klebte oft Schlamm an seinen Schuhen, als sei er vor den Toren gewesen; in einer Ecke, wo sich die Feuchtigkeit länger gehalten hat.«
»Zum Beispiel im Wald?«
»Ich sage Euch nur, was ich beobachtet habe.«
»Was habt Ihr noch beobachtet?«
»Das ist nun wirklich alles.«
Thomas hatte mehr erfahren als erhofft. »Wann sind sie fe r tig?«, fragte er.
»Was?«
»Die neuen Stiefel …«
8.
E
s war Zeit, mit dem Baumeister zu reden, und Thomas ging zurück zum Dom, der nicht weit entfernt lag. An die K a thedrale schlossen sich der Kreuzgang, Kapellen und das Domkapitel an. Auch der bischöfliche Palast und das G e richtsgebäude standen so dicht beim Dom, als gehörten sie d a zu.
Nach kurzem Suchen stieß Thomas auf die Hütten der Ba u arbeiter; einfache, an die Wände der Kathedrale gelehnte Hol z verschläge, aus denen Klopfen und Hämmern drang. Im Stei n garten neben den Hütten lagerten Blöcke mit Ornamenten; aus manchen begannen sich halbfertige Figuren herauszuschälen. Thomas öffnete die Tür einer Hütte, aus der Rauch aufstieg, der vom Schornstein seitlich über das Dach wehte und sich im R e gen verlor. Innen saßen drei Arbeiter mit Hammer und Meißel vor Steinblöcken und verliehen ihnen die Form von Quadern. Auf die Frage nach dem Meister schickte man ihn zu einer Hü t te nahe beim Kreuzgang, die größer war als die anderen.
Thomas klopfte an die Tür dieser Baracke, und da er kein »Herein« hörte, trat er einfach ein. Zwei Männer, die ihn nicht beachteten, standen bei einem mit Plänen bedeckten Tisch, und Thomas erkannte an den Gesten gleich den Meister, der auf e i nen Plan deutete und seinem Assistenten etwas erläuterte. Sie waren so in ihr Projekt vertieft, dass Thomas sich räuspern
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