das gutenberg-komplott
verübt worden, und ein Mann ist verschwunden. Was habt Ihr unternommen?«
»Die Suche nach dem Baumeister läuft noch …«
»Mit welchem Ergebnis?«
»Wir haben ihn bisher nicht gefunden.«
»Außerdem ist eine junge Frau ermordet worden. Ihr habt es nicht für nötig gehalten, mich über den Stand der Dinge zu i n formieren.«
»Ich wusste nicht …«
»Glaubt Ihr, so was passiert hier jeden Tag? Es geht um die Sicherheit meiner Bürger! Als ginge mich das nichts an!«
»Ich hatte …«
»Keine Ausreden!«
Sie führten das Gespräch unter vier Augen im Arbeitszimmer des Fürsten. Darüber war Thomas froh, ersparte es ihm doch eine öffentliche Demütigung. Noch nie hatte ihn ein Vorgeset z ter so behandelt. Und der Kurfürst hatte, zumindest offiziell, nach dem Kaiser das zweithöchste Amt im Reich inne. Er war Reichskanzler und präsidierte bei der Königswahl. War es nicht auch Steiningers Schuld? Der hätte ihm sagen müssen, wie wichtig es war, den Kurfürsten auf dem Laufenden zu halten, er hätte vermitteln müssen. Aber Thomas hatte Steininger seit dem ersten Treffen mit Erbach nur noch einmal gesehen.
Im Arbeitszimmer des Fürsten bedeckten mehrfarbige Fli e sen – größtenteils unter einem Teppich verborgen – den Boden, und ein Schrank mit Schnitzwerk dominierte den Raum. Der Tisch, hinter dem Erbach saß, war breit und ausladend, einige Bücher lagen darauf, in Leder gebunden, darunter ein Codex Justianus, wie Thomas am Buchrücken mit Goldprägung e r kannte. Daneben lag eine zerbrochene Gänsekielfeder.
Der Bischof legte die Spitzen der Finger aneinander und blic k te Thomas herausfordernd ins Gesicht. Er trug diesmal kein bischöfliches Ornat, sondern war wie ein Adliger gekle i det, nach der neuesten Mode. »Meine Autorität steht auf dem Spiel«, sa g te er.
Thomas erwiderte nichts, er war eingeschüchtert und ärgerte sich über sich selbst. Ihm geschah Unrecht, aber er verteidigte sich nicht gut.
»Wer ist für den Mord an Klara Roth verantwortlich?«
»Das weiß ich nicht.«
»Es ist Eure Aufgabe, in Zusammenarbeit mit Busch den Schuldigen zu finden …«
»Ich verfolge jede Spur.« Thomas fand seine Antwort e r bärmlich.
»… und hinzurichten!«, ergänzte Erbach. »Wer steht unter Verdacht?«
»Bis jetzt noch niemand. Ich …«
»Das ist unmöglich. Ich erwarte, dass Ihr Eure Aufgabe ernst nehmt!«
»Ich versichere Euch …«
»Ihr solltet mich ausreden lassen. Ich bin mit Eurer Arbeit unzufrieden. Ihr habt nichts unternommen.«
»Das stimmt nicht«, sagte Thomas eine Spur zu laut. »Ich kann keinen Mörder aus dem Hut zaubern.«
»Werdet nicht unverschämt! Wenn ein Mord geschieht, muss spätestens zwei Tage später jemand am Galgen hängen – sonst denken die, sie können mir auf der Nase ’rumtanzen! Ich muss gegenüber dem Stadtrat Stärke zeigen …«
»Und falls der Betreffende unschuldig ist?«
»Zumindest haben wir dann ein Exempel statuiert. Abschr e ckung nenne ich das.«
»Aber das Gesetz …«
Der Kurfürst machte eine verneinende Geste mit der rechten Hand. » Ich bestimme, was Gesetz ist – und Ihr habt versagt!«
Thomas saß Erbach gegenüber auf einem niedrigen Stuhl und wäre am liebsten aufgesprungen. Er fühlte sich hilflos. Er war einem Mann ausgeliefert, der wahrscheinlich deshalb B i schof von Mainz war, weil er aus einer adligen Familie stam m te, die für das Amt zahlen konnte. Außerdem lenkte ihn ein D e tail d a von ab, sich wirklich auf das Gespräch zu konzentrieren. Der Bischof hatte sich nach dem Essen den Mund nicht richtig abgewischt, um die Lippen glänzte Fett, und er musste Wein ge trunken haben, denn vom rechten Mundwinkel zog sich ein ro ter Streifen hinunter zum Kinn; auch auf dem weißen Obe r gewand waren Rotweinspritzer zu sehen.
»Ich glaube, Ihr habt mich immer noch nicht verstanden«, fuhr Erbach fort. »Ich sehe es an Eurem Blick. Verabschiedet Eure Ideale! Von wegen Gerechtigkeit! Ich bin lange genug Bischof und weiß, wie man das Volk regiert. Wenn ein Verbr e chen geschieht, muss die Reaktion auf dem Fuß folgen! Da darf es kein Zaudern geben und kein Zögern! Kann man den Täter fassen: an den Galgen mit ihm! Wenn nicht, greift man sich irgendeinen Landstreicher und knüpft ihn auf! D a nach kräht kein Hahn, und es trifft nie den Falschen. Sobald er baumelt, sind die Leute zufrieden, und man verschafft sich Respekt.«
Thomas hatte, bevor er nach Mainz kam, viel von Erbach gehört. Er war Bischof einer der
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